Montag, 13. Mai 2013

Bloggendentreffen auf dem Venusberg: von Linienregimentern, Jägerbataillonen und Überläufern.

Schwarzrheindorf, Doppelkirche
Es waren eigentlich noch nicht einmal 10 Prozent der katholischen Blogger auf dem Bloggertreffen in Bonn/Venusberg anwesend. Nun gut, die 300 Blogs, die der Predigtgärtner auf seiner verdienstvollen Seite versammelt hat, sind nicht alle aktiv, auch unter Bloggern gibt es den Typus der Karteileiche, auch den des Gelegenheitsblogger, aber die Anzahl der Anwesenden war doch erheblich geringer als die Zahl der wirklich bedeutenden und aktiven Blogs. Die Blogozoese funktioniert vorwiegend nach dem Prinzip des sich selbst organisierenden Chaos und läßt sich schwer bündeln.

Für manche zählt die kirchenoffizielle Publizistik, die zum quasioffiziellen Blogoezesentreffen geladen war und erschien, vielleicht ja auch zum "Feind", mit dem man sich nicht gemein machen will.

Animositäten gibt es da ja schon, und es ist nun nicht wirklich so, daß alles in völliger Harmonie verlief, besonders die Diskussion mit den Machern des kirchenoffiziellen "katholisch.de" war streckenweise unfreundlich. Der Einwand gegen katholisch.de, das sei alles zu sehr nach dem Motto, "dieser sagte jenes, hingegen meinte jener dies" gestrickt, wurde von den Redakteuren verärgert zurückgewiesen. Man solle sich doch erst einmal mit katholisch.de beschäftigen, bevor man gleich kritisiere. Zugegeben, meine, und auch die Beschäftigung vieler anderer Blogger mit der kirchenoffiziellen Seite ist nicht gerade intensiv. Ich habe vor dem Treffen mal kurz reingeschaut - und habe meine Vorurteile bestätigt gefunden. Auch jetzt, nachdem ich mir die Seite noch einmal genauer ansehe, ändert sich an diesem Urteil wenig: schön, aber doch mehr in der Kategorie gepflegte Langeweile.

Das "neue" katholisch.de ist informativer, professioneller und vielseitiger als das "alte", aber das Grundproblem bleibt. Wer sich allen innerkatholischen Lagern verpflichtet fühlt, und auch sonst nicht anecken will, wird sich auf die reine Information beschränken müssen, Meinung kommt da schon zu kurz, von dem missionarischen Anspruch, den eine solche Seite haben könnte, braucht man dann schon gar nicht mehr zu reden.

Es gibt ja sogar einen Blog, aber der ist nur dann zu finden, wenn man die URL schon kennt, nicht wenn man sich auf der Hauptseite umsieht. Die Autorenliste ist - unter anderen - mit der zum linksfeministischen Flügel der CDU gehörenden Annegret Kramp-Karrenbauer und dem unsäglichen Herrn Ring-Eifel nicht gerade vertrauenerweckend besetzt, ein Post pro Woche signalisiert "naja, das müssen wir auch irgendwie machen".

Aber abgesehen von der Kritik und Gegenkritik, die Blogozoese fühlte sich an diesem Tag geehrt. Katholisch.de war prominent vertreten, es erschien der Pressesprecher der DBK, Matthias Kopp, Christiane Kolvenbach, Referentin für internet und Presse und  der Publizist Andreas Püttmann. Man nimmt uns ernst, und will vielleicht ja auch was von uns lernen.

Trotzdem bleibt ein eher trister Eindruck. Die katholische Publizistik - Andreas Püttmann hielt ein aufschlußreiches Kurzreferat - ist kaum noch existent. Die offiziellen Seiten, die ja unter dem korrekten, aber auch lähmenden Gebot der Ausgewogenheit arbeiten, können eine lebendige Publizistik nicht ersetzen. Die Beschränkung auf im weitesten Sinn "Theologisches" geht einher mit Entpolitisierung. Die Berichterstattung auf "katholisch.de" über die Demonstrationen in Frankreich gegen die Homo-Ehe sind ein aufschlußreiches Beispiel für die Beschränkungen, die sich eine kirchenoffizielle Seite auferlegt, vielleicht auferlegen muß. Auch wenn ich es nicht ganz verstehe, warum man den dezidierten und äußerst klaren Standpunkt unseres neuen Papstes zu dieser Frage nicht wenigstens zitiert.

Sagen wir es militaristisch: Die Kirche steht unter publizistischem Dauerfeuer. Das "Garderegiment" der kirchenoffiziellen Publizistik hält sich vornehm zurück. Man will sich die schmucken Uniformen ja nicht schmutzig machen. Die Linienregimenter einer lebendigen katholischen Publizistik sind nicht existent. Die vielgestaltige katholische Presse, die auf die Zeit des Vormärz, und auf die Zeit des Kulturkampfs zurückgeht, ist während des Dritten Reichs systematisch ausgerottet worden, die "Kölner Volkszeitung", die "Germania" ist nicht mehr, ebensowenig die Diskussionsforen der christlichen Intelligenzija wie die "Weißen Blätter" oder "Hochland". Auch die konservativ-evangelische Konkurrenz - etwa die "Kreuzzeitung" - überlebte die Nazis nicht.

Nach dem Krieg blieb keine einzige Tageszeitung, Wochenblätter wie der Rheinische Merkur siechten dahin, und wurden schließlich liquidiert. Die verbleibende Presse schrumpft auf Miniformat, die verkaufte Auflage der "Tagespost" etwa beträgt schmale 11.000. Katholische - auch nur konservative - Redakteure in der Qualitätspresse kann man mit der Lupe suchen, der vorherrschende Typus - Heribert Prantl, Daniel Deckers et al. - ist der des "Kirchenkritikers."

Die Jägerbataillone der Blogoezese sind - wie es dieser Waffengattung ja entspricht - wendig, mutig, scharf, aber eigentlich ohne Unterstützung durch die Massenpresse letztlich auf verlorenem Posten. Da käm es schon darauf an, daß die Garderegimenter sich aus der Deckung wagen und ihre Beschränkung auf "neutrale" Berichterstattung und "Theologisches" aufgeben.

Den "Überläufern" - Konvertiten, Ex-Atheisten, Ex-Radikale - steht die "Garde" ganz besonders kritisch gegenüber. Waren das nicht Verräter? Schon. Aber vielleicht hilft es, wenn man bedenkt, daß auch der berühmte Clausewitz im strengen Sinn ein Überläufer war. In den napoleonischen Kriegen war Clausewitz zur russischen Armee desertiert.

Das habe ich von meinen Professoren Adorno/Horkheimer gelernt: wer die moderne Welt verstehen will, braucht eine integrierte Wissenschaft von der Gesellschaft, die nicht nur entweder soziologisch, oder ökonomisch, oder politologisch, oder theologisch ist, sondern alles und. Das wollte die "kritische Theorie" sein, mißverstanden hat man sie als Fortsetzung des Marxismus mit anderen Mitteln.

Eine "theologische" katholische Publizistik, die kein Wörtlein mehr wagt zu politischen oder ökonomischen oder anthropologischen oder anderenThemen wird in einer kleinen Nische dahinkümmern. Die Reichweite von "katholisch.de", das sich auf diese Nische beschränkt, ist begrenzt. An likes auf facebook zählt katholisch.de nur etwas mehr als 3.000, die unabhängige Seite kath.net hat ohne großartigen Webauftritt mehr als 5.000. Der Grund ist klar: kath.net ist "politischer".

Mein persönlicher Ertrag der Bloggenden-Tagung ist, daß es doch Leute gibt, die meinen Blog auch lesen. Sogar gern. Und die es bedauern, daß ich in letzter Zeit so wenig geschrieben habe. Gelobe Besserung.

Gleich mehrere Mitblogger haben mich darauf angesprochen, daß ich auf meinem Lieder-Blog "Cäcilia" zuletzt vor einem Jahr eine Liederbesprechung eingestellt habe. Auch das wird besser werden. Ein Post über "Sag an wer ist doch diese" ist in Vorbereitung, und wenn ich es diesen Monat schaffe, komm ich auch noch mit einem irischen Marienlied (O Mary of graces ) rüber.

Wo wir doch offenbar viele Verehrer irischen Liedguts unter uns haben. Und Interpreten, wie Thomas und Peter. Shantys gabs auch (Heimat, o Heimat). Französische Chansons (Drrrrrammmatisch:Claudia) Es gab Rotwein und Musik und viel Spaß.

Ich bin mir nicht ganz klar, was ich an diesen Bloggertagungen am meisten schätze. Sind es die tiefschürfenden Strategiedebatten, ist es die tiefe Frömmigkeit, der ich begegne? Ich kenne jedenfalls keine Vereinigung in dieser Kirche, die noch gemeinsam die Stundengebete miteinander betet, oder - wie diesmal - singt. (Es gab nur ein Antiphonale, es hat also ein wenig geholpert, ich war doch zu Tränen gerührt)

Komme ich vor allem wegen der Abend"vigil", bei der gelacht, gesungen und getrunken wird?
Wherever the catholic sun does shine
You will find laughter and good red wine
At least i always found it so
Benedicamus domino. (Hillaire Belloc)
Sightseeing Programm: Die Doppelkirche in dem kleinen Vorort Schwarzrheindorf sollten wir uns unbedingt ansehen. Die Entscheidung, den Besuch mit einer Heiligen Messe zu verbinden, haben wir dann ein bißchen bereut. Familiengottesdienst. Es gibt ja Blogozösaner, die das gar nicht mehr aushalten können. Kinderkatechese. Statt Orgel Keyboard und Querflöte. Einer ging, der Rest litt still, für mich war die Schmerzgrenze fast überschritten, als die Gemeinde DAS LIED anstimmte. DASLIEDDASICHNIEMALSMITSINGE. (Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht. Ich finde, daß das piekt).

Ich dachte mir dann, wenn der Pfarrer das geduldig durchhält, und trotzdem seine Messe  feiert, wie es sich gehört, muß ich auch nicht davon laufen.

7 Kommentare:

  1. "Ich dachte mir dann, wenn der Pfarrer das geduldig durchhält, und trotzdem seine Messe feiert, wie es sich gehört, muß ich auch nicht davon laufen."

    Du bist heldenhafter, als ich von Dir erwartet hätte. :-)

    Schade, daß ich nicht dabei war, beim nächsten Mal bestimmt.

    Danke für Deinen Bericht.

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  2. Ich hab jetzt zuerst gedacht: Das muß ein Foto der Doppelkirche vor der Erweiterung um zwei Joche des Langschiffs (um 1170) gewesen sein … *lach*

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  3. Ich habe festgestellt, dass man es leichter aushält, diese Sorte Eventmessen, wenn man unter Freunden ist, die es auch aushalten.
    Es stimmt offensichtlich wirklich, "Geteiltes Leid, ist halbes Leid!"

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  4. Zum nächsten Mal gibt es in jedem Fall ein Vesperheft mit Noten für das Sonntagsoffizium, damit auch alle mitsingen können.

    Der von Dir verlinkte Artikel von Ludwig Ring-Eifel war in der Tat nicht glücklich, wenngleich seine Beobachtungen in mancher Hinsicht zutreffen, mitunter aber auch ein recht einseitiges Bild der "Ratzingerianer" zeichnen. Ich habe diesbezüglich mit ihm korrespondiert, weil er in vielen anderen Fällen Ratzinger/Benedikt gegen Kritik verteidigt hatte und daher dieser Artikel nicht so recht ins Bild passen wollte.

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  5. Wenn dir das hilft: das Lied mit dem geteilten Brot, das als Rose piekt bezieht sich auf das Rosenwunder der hl. Elisabeth (bei dem Brot für die Armen wie ein Korb voller Rosen erschien). Ich kann zwar gut reden, weil ich den Familiengottesdienst nicht erlebt habe, aber das Lied steht hier im Diözesanhang.

    Ich bring beim nächsten Mal auf jeden Fall mein Münsterschwarzacher Antiphonale mit.

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  6. @Braut. Daß sich das auf das Rosenwunder bezieht, weiß ich. Es stammt übrigens aus der ehemaligen DDR. Ich finds trotzdem schrecklich. Das Antiphonale hatten wir da, allerdings nur einmal. Ansonsten find ich es entscheidend, daß du dich selbst mitbringst. Du hast uns gefehlt.

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