Donnerstag, 15. August 2013

Himmelfahrt und Sonnenstich

Kräutersträuße für Mariä Himmelfahrt
Das Patrozinium unser Landgemeinde "Liebfrauen" (früher hieß die Gemeinde ein bißchen origineller "Maria auf dem Dorfe") ist der 15. August. Maria Himmelfahrt. Für Gemeindeaktivisten (wenn man im Pfarrhaus wohnt, ist man gewissermaßen von Amts wegen Gemeindeaktivist) heißt das, Kräuter für die Kräuterweihe sammeln, zurechtschneiden, binden.

Einer Tradition zufolge, deren Gründe ich nicht kenne (Brauchtumspezialisten bitte melden), muß der Strauß vorwiegend aus Wildkräutern bestehen. Die wachsen vor allem an ungangbaren Stellen, auf Brachflächen, an Waldrändern, am Rand vielbefahrener Straßen. Sammeln heißt also immer Sonnenhitze (gesammelt wird am Tag vorher), Disteln, Dornen und Brennesseln. Hart, wenn man mal wieder die Handschuhe vergessen hat, Dumm, wenn auch noch die groben Schuhe zuhause geblieben sind, und man mit Straßenschuhen über Schuttflächen stolpert.

Aber wir lernen, was draußen in der Natur an Heilkräuter einfach so wächst. Oder in verwilderten und aufgelassenen Gärten. Wir lernen auch, daß nicht immer und überall die selben Kräuter wachsen, und nicht immer in derselben Qualität. Johanniskraut war ziemlich verblüht, Königskerzen gab es reichlich, der Wiesensalbe war besonders prächtig. Goldrute, Beifuß und Rainfarn gibt es eigentlich immer und überall. Schafgarbe war ziemlich schwer zu finden. Es gab verwilderte Echinacea und ein paar Ringelblumen aus dem Garten waren diesmal auch dabei.

Immer sind es zuwenig Kräuter und am späten Abend, wenn schließlich alles fertig ist, stellen wir meistens fest, daß es weniger Sträuße waren, als erhofft.. Aber die Königskerzen, die meist in den Sträußen erst richtig aufblühen, lohnen die Mühe.

Donnerstag, 8. August 2013

Veggie Day und Fastengebot: Katholisches Original und grünprotestantische Fälschung


Also wer noch immer nicht glaubt, daß er mit dem Veggie-Tag die Welt retten kann, der MUSS sich unbedingt diesen Film ankucken.

Und wer noch immer nicht glaubt, daß es sich wirklich um eine GLAUBENSFRAGE handelt, der MUSS umbedingt diesen Henryk-Broder-Artikel lesen.
... und jetzt gönnen wir uns am Donnerstag einen Veggie-Burger. Bei den Katholiken war das schon immer freitags der Fall, aber da ging es ja nur um einen religiösen Brauch, nicht um "Klimaschutz und Ernährungssicherheit". Verglichen mit den Grünen und ihrem Hang zum alltäglichen Totalitarismus ist die katholische Kirche eine libertäre Organisation mit Sinn für menschliche Schwächen.
Meine Rede seit Leipzig.Und Broders bösewichtige Witzischkeiten muß man sowieso immer lesen.

Doch mal ganz im Ernst. Der Veggietag ist in Wirklichkeit das Billigheimer-Angebot für Katholizismusverweigerer. Weil, katholisch ist halt nichts für Weicheier. und für Weicheier gibt es anstelle der katholischen Fastengebote eben den Veggietag.

Denn das katholische Fastengebot ist:

Viel, viel härter. Fleisch gibt es nicht nur nicht am Freitag sondern auch:
- während der Fastenzeit vor Ostern (40 Tage)
- während der Fastenzeit vor Epiphanias (zwischen dem 11.11. und dem 6.1, - 55 Tage)
- während der Quatembertage (nochmal 12 Tage)
- von Samstag abend bis zum Empfang der Eucharistie am Sonntag morgen
- natürlich jeden Freitag
zieht man Überschneidungen ab, sind das im Durchschnitt 145 Tage und keine schlappen 52.

Jedenfalls war das so vor den Liturgie- und sonstigen Reformen des 20igsten Jahrhunderts.

Das Fastengebot ist im übrigen:

Umweltschonender:

Fisch bleibt bei Katholiken erlaubt, also ein Nahrungsmittel, das in der Regel ohne zusätzlichen Verbrauch an Landfläche erzeugt wird. Die Ausnahmen von dieser Regel sind bekannt. Fischfarmen gab es - vor allem im Umfeld von Klöstern - schon im Mittelalter, ohne daß die Umwelt kollabierte, die Klimakatastrophe hereinbrach und die ausgebeuteten Massen verhungerten. Selbst Umweltorganisationen empfehlen wegen der umweltschonenden Erzeugung und der reichlichen Ressourcen den Konsum des klassischsten aller katholischen Fische; des Karpfen,

Gesünder:

Was die gesundheitlichen Vorzüge der katholischen Diät angeht, so sind sie erweislich der veganen weit überlegen. Nicht Vegetarier, sondern Pescetarier (die ihre Ernährung auf Gemüse, Getreide und Fisch beschränken) leben am längsten.

Intelligenter:

Fisch liefert die überlebenswichtigen und für das Ernährung des Gehirns essentiellen Omega-3 Fettsäuren. Was zu beweisen war: mit der Aufweichung des Fastengebots zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die katholischen Theologen erweislich immer dümmer geworden. Die evangelische Theologie war ja schon immer unterirdisch.

Zukunftsorientierter:
Die materialistische Einrichtung im Bestehenden, der partikulare Egoismus, war seit je mit Entsagung verknüpft, während der Blick des unbürgerlichen Schwarmgeists über das Bestehende hinaus, materialistisch zum Land von Milch und Honig schweift. (Adorno/Horkheimer, Dialektik der Aufklärung)
Richtig. Denn wir fasten nicht, um die Welt zu retten, sondern um christusförmig zu werden, um der Ewigkeit willen.

Eine der besseren konservativen katholischen Webseiten nennt sich übrigens Fisheaters.

Fischfresser gilt im angelsächsischen Raum als Spitzname für Katholiken. Lies nach bei Shakespeare:
I do profess to be no less than I seem—to serve him truly that will put me in trust, to love him that is honest, to converse with him that is wise and says little, to fear judgment, to fight when I cannot choose, and to eat no fish. (King Lear, Erster Akt, Vierte Szene)
Leider hat die Kirche verlernt, in einer protestantisch gewordenen Welt, die überwältigenden Vorzüge des Fastengebots bekannt zu machen. Der Veggie-Day ist jedenfalls eine billige und völlig dysfunktionale Kopie einer weit weiseren Speiseregel. (Aus meiner Serie: und die Kirche hat - wie immer - recht)

Mittwoch, 7. August 2013

Veggie-Day: Meine Tante Grete und das hygienische Zuchthaus

Pieter Bruegel: Veggie-Day auf dem Lande
Ich versuche mir gerade vorzustellen, was meine Tante Grete wohl zur Einführung eines Veggie-Days gesagt hätte. Oder was sie wohl zum grünen Bundestagsprogramm gesagt hätte, in dem das gefordert wird. Ich glaube nicht, daß ich mit ihr einen Programmpunkt wie den der Einführung der Homo-Ehe hätte auch nur ansatzweise diskutieren könnte. Tante Grete war nicht gewalttätig, das nein, sie überließ das Ohrfeigenverteilen ihrem Ehemann.

Auch Onkel Peter war nicht eigentlich gewalttätig. Es genügte eigentlich, sich vorzustellen, welche Wirkung eine von einem Zimmermann ausgeteilte Ohrfeige haben könnte. Der Vorschlag, einen Veggie-Day einzuführen, wäre jedenfalls durch unlösbare ökonomische Sachzwänge vereitelt worden. Erstens gab es im Dorf keinen Laden, der Müsli geführt hätte. Schon der Begriff des Müslis war völlig unbekannt. Zweitens wird frischgemolkene Kuhmilch binnen eines Sommertags sauer und meine Anwesenheit im Heimatdorf meines Vaters hatte vor allem den Zweck mein leichtes Untergewicht durch den regelmäßigen Genuß von kuhwarmer Milch zu bekämpfen. Drittens wäre mittelfristig der Schinkenspeck verdorben. Und viertens müssen die Ergebnisse der landwirtschaftlichen Produktion aus der Haltung von 10 Hühner, 2 Kühen und vier Schweinen ja dem Konsum zugeführt werden.

Zum Frühstück also gar es Schinkenspeck und Schwarzbrot, sowie ein Hühnerei. Mittags Schweinerenes und Kartoffeln. Abends wieder Schinkenspeck. Ich kann mich an Gemüse und Salate erinnern, wenn auch nur dunkel. Schinkenspeck war m.E. wesentlich.

Der Versuch, mir Onkel Peter beim Konsum von Bircher-Benner-Müsli, Grünkernbratlingen und Bionade vorzustellen, gelingt mir nicht. Die Einreichung eines Scheidungsantrags wäre völlig undenkbar gewesen, so daß das Bircher-Benner-Müsli als Denkunmöglichkeit einzustufen ist.

Daß der extensive Milch-, Fleisch- und Eierkonsum ihrer Familie, wie die Grünen behaupten, nur durch Massentierhaltung, Naturvernichtung, Arzneimittelmißbrauch etc. aufrechterhalten werden könne, hätte meine Tante Grete mit einem Kopfschütteln beantwortet. Daß Schweinekoteletts für die Klimakatastrophe veranwortlich sein könnten, hätte Tante Grete sinnlich-praktisch widerlegen können, der heutige Pächter ihres kleinen Landbesitzes. Dr. K (heutzutage ist Landwirtschaft eine Wissenschaft) könnte es agrarökonomisch agrarwissenschaftlich widerlegen.

Nun ja, die Grünen haben wohl in ihrer Mehrheit noch keine Kuh von nahem gesehen und schwadronieren gleichwohl über die per se schädliche Massentierhaltung. Der "Veggie-Day" findet sich im Programmkapitel "Massentierhaltung-nein danke!". Daß Massentierhaltung nicht per se  artungerecht ist (die häufig von mir gehüteten Kühe meiner Tante Grete hätten dieser These entschieden widersprochen), könnte man ja wissen. Es sei denn, man lebt in einer Altbauviertel-Maisonette im Grünwählerviertel und der eigene Kontakt mit der Tiernatur beschränkt sich auf das Bressehuhn vom Szenerestaurant und die Haltung einer Hauskatze.

Der politische Inhalt ist vielmehr höchst religiös-politisch. Daß diese Religion von der Präses der Synode der EKD vorgetragen wird, hat was. Ihre Kurzfassung ist jedenfalls einer religionswissenschaftlichen Analyse bestens zugänglich.
60 Kilo Fleisch verbraucht jede BürgerIn in Deutschland in jedem Jahr. 
Klassische Polemik. 60 Kilo Fleisch klingt richtig eklig. 164 Gramm pro Tag hörte sich ja ganz anders an. Aussage: Fleischessen as such ist sündhaft.
Wir wollen in unserem Land aber keine Massentierhaltung mehr. 
Interessanterweise enthält das Programm keine Definition, was denn unter Massentierhaltung zu verstehen sei. Ist schon jeder Laufstall "Massentierhaltung". Zurück zur vermeintlichen Idylle der Anbindehaltung? Das wäre nicht nur romantisch, sonder tierverachtend.
Wir schlagen den Veggie Day vor, nicht weil wir das Fleisch essen verbieten wollen, es geht nicht um eine Zwangsveranstaltung.
Ja, die Dialektik des Dementi.
Wir leben auf Kosten derjenigen, deren Existenzen bedroht sind, weil beispielsweise der Regenwald abgerodet wird. Ein wöchentlicher Veggie Day in den Kantinen wäre ein großer Schritt für die Beendigung der Massentierhaltung und für eine gesunde Ernährung.
Als ich politisch laufen lernte, teilte sich die Welt der politischen Aktivisten zwischen Autonomen und Müslis. Die theologisch-politischen Implikationen waren mir damals nicht bewußt. Daß der Erfinder des Müslis, der calvinistische Schweizer Arzt Maximillian Bircher-Benner keineswegs nur eine schmackhaftere und gesündere Art des Frühstücks erfinden wollte, sondern eine Lebensreform nach mönchischem Vorbild anstrebte, läßt sich an der therapeutischen Orientierung der von ihm betriebenen Klinik nachvollziehen. Thomas Mann hat seine Erfahrung in dieser Klinik literarisch in seinem "Zauberberg" verarbeitet. Die Klinik, so Thomas Mann, sei schlicht ein "hygienisches Zuchthaus".

Da schließt sich der Kreis. Schon Luthers Theologie der "innerweltlichen Askese" war ja eine mönchische Revolte gegen die katholische Lebensfreude der Renaissance. In seiner moralischen Empörung über den katholischen Leichtsinn seiner Zeit wollte Luther die ganze Welt in ein Kloster verwandeln.

Das war dann nun aber noch die Zeit, da die Protestanten noch mit demonstrativem Wurstessen gegen das katholische Fastengebot protestierten. Offenkundig strebt in grünprotestantischer Gestalt die evangelische Lebensreformbewegung ihrer endgültigen Vollendung entgegen. Erst Frau Göring-Eckardt durfte das Werk Luthers vollenden, und uns selbst das Wurstessen noch verbieten.

Donnerstag, 1. August 2013

1. August 2013: das Ende des Proletariats.


An der Wahl des Begriffs "Proletarier" läßt sich nachvollziehen, daß der Erfinder dieses Wortes ein klassisch gebildeter Mensch war. Marx, der die lateinische Sprache wie alle Gebildeten seiner Zeit  in Wort und Schrift fließend beherrschte, wußte, daß nach dem Census der Römischen Republik Bürger mit einem Vermögen von weniger als 11.000 Assen nicht mit ihrem Vermögen, sondern mit ihren Kindern registriert wurden.

Die Proletarier waren, etwas vereinfacht gesagt, freie römische Bürger, deren einziger Reichtum, deren einziges Eigentum ihre Kinder waren. Marx, der Menschenfreund, wollte aber nun dem eigentumslosen Arbeiter bekannterweise nicht zu Eigentum verhelfen, vielmehr wollte er dem freien Proletarier auch noch das letzte Eigentum entziehen, daß ihm nach seiner Enteignung verblieben war: seine Kinder. Unter den 10 Artikeln des "Kommunistischen Manifests" findet sich als zehnter die "öffentliche und unentgeltliche Erziehung aller Kinder."

In Engels Entwurf für das Kommunistische Manifest hieß es übrigens noch wesentlich klarer und radikaler:
Erziehung sämtlicher Kinder, von dem Augenblicke an, wo sie der ersten mütterlichen Pflege entbehren können, in Nationalanstalten und auf Nationalkosten. Erziehung und Fabrikation zusammen.
Es ist also nun erreicht. Seit dem 1. August gibt es den Anspruch auf einen Krippenplatz nach dem ersten Geburtstag des Kindes. Das sozialistische Paradeis ist nun angebrochen. Auch wenn gegen den heftigen Widerstand insbesondere der journaillistischen Klasse den letzten widerständigen Proletariern ein Almosen von beeindruckenden hundert Euro (Erziehungsgeld, in politisch korrektem Newspeak Herdprämie) gewährt wird - daß nach dem erhofften Wahl-Sieg der Vereinigten Parteien der Arbeiterklasse selbstverständlich abgeschafft werden wir - so wird die "öffentliche und unentgeltliche Erziehung" mit dem faktischen Arbeitszwang für beide Eltern bald Realität sein.

Tausend Euro wird ein Krippenplatz kosten. Kein Problem, denn dieses Geld zahlen ja dann die Eltern mit ihren Steuern, deren Höhe gleichzeitig dazu führt, daß das Einkommen nur eines erwachsenen Familienmitglied nicht mehr ausreicht, um eine Familie zu ernähren. Wer hätte gedacht, daß eine christlich-liberale Regierung erreicht, was Marx-Engels erträumten.

Dem gemeinen Volk wird es indessen ganz mulmig. Die Zahl derer, die sich vor der Familiengründung - zu Recht - fürchten, weil sie schwere wirtschaftliche Probleme befürchten, wenn sie sich auf dieses Wagnis einlassen ist dramatisch gestiegen. Die Zahl derer, die die hohe finanzielle Belastung als Grund dafür ansehen, daß so wenig Deutsche "Familie wagen", ist binnen nur eines Jahres von 58% auf 67 % gestiegen. Wer sich die unsägliche "Herdprämien"-Polemik der journaillistischen Klasse in Erinnerung ruft, kann nachvollziehen, warum die Angst vor der Familiengründung gewachsen ist. Eines hat die Debatte jedenfalls bewirkt: allen ist nun klar, daß sie nach der Geburt eines Kindes in DIESEM Land auf staatliche Hilfe angewiesen sind.

Die Staatsquote - der Anteil des Staates am wirtschaftlichen Geschehen - ist wieder im Steigen begriffen. Grund ist unter anderem die massive Vermehrung der in staatlichen Kinderbetreuungseinrichtungen Beschäftigten.