Sonntag, 29. April 2012

Von Glaubens- und Geschmacksverirrungen; der Tag der Diakoneuse


Die Kirche begeht heute den Tag der Heiligen Katharina von Siena. Der KDFB hingegen eher den Katherina Jefferts Schori-Tag, Lieblingsobjekt eines meiner Lieblingsblogs.

Das letzte überlebende Zentralkomitee auf europäischem Boden begeht heute auch den Tag der Diakonin. (Da streikt übrigens gerade mein Rechtschreibprogramm, Diakonin, sagt es mir, geht gar nicht: Versuchs mal mit Diakonisse. Et voilá: Das Rechtschreibprogramm ist katholisch! Oder genauer gesagt, christgläubig.)

Über Diakonissen hab ich mal was geschrieben. Über Diakoninnen (wieder streikt das Rechtgläubigschreibprogramm und verlangt definitiv: Diakonissen) noch nicht. Muß man auch nicht. Was der KDFB, InitiatorIn des Tags der DiakonIn schreibt, reicht völlig aus.

Ganz besonders erschüttert mich der Beitrag, den der KDFB-Zweigverein Schamberg zur Feier des Tages der Diakoneuse geleistet hat. Was sich beim Lesen dieses Entwurfs für einen Gottesdienst am Tag der Diakonin vor meinem geistigen Auge abspielt, läßt sich eigentlich nur noch durch eine volle Packung Edle Tropfen in Nuß schönfressen. Ein Schwarm mittelalter Damen in Hosenanzügen und AliceSchwarzerGedächtnisSchlabberKleidern gekleidet, die mit bunt gebatikten Tüchlein durch die Kirche wallen, handgehäkelte Besinnungstexte rezitierend, und gar schröckliche Liedlein singend:

Farben und Klänge,
neue Gesänge,
tastende Schritte
führ´n in die Mitte
werden zum Tanze
lassen das Ganze
ahnen und spüren!

Da ergreift mich schon irgendwie ein Schauder, nur ist es ganz bestimmt kein heiliger.

Meine Damen!

Ganz abgesehen von den gravierenden theologischen Bedenken, die an anderer Stelle schon erschöpfend dargelegt wurden, bedenken Sie doch bitte die nicht weniger gravierenden ästhetischen Bedenken, die sich hier auftun.

Ein Bischofshut, z.B. einst für einen tonsurierten Mönchscharakterkopf entworfen, sieht auf Dauerwelle einfach ganz verwegen aus.

Und bei einer Dalmatika - dem Gewand eines Diakons - handelt es sich keineswegs um eine für Damen geeignete Bekleidung, da sich diese bei einer Dame an den falschen Stellen wölbt und an den falschen Stellen eine schlichtere, sozusagen weniger pneumatische Körperform verlangt. Bitte bedenken Sie auch nicht zuletzt, daß die Schärpe eines Diakons, einst für einen Beamten am Hof des ägyptischen Pharao entworfen, bei Ihnen einen Körperteil umwindet, um den sich geeignetere Kleidungsstücke winden sollten. (Meine natürliche Schamhaftigkeit verbietet es, hier deutlicher zu werden.)

Kurzum meine Damen: es kleidet Sie nicht. Könnte das ein Argument sein?

Freitag, 27. April 2012

Katholikentag: Die Heilige Messe als Bückware


Den Begriff Bückware kann man möglicherweise nicht mehr als bekannt voraussetzen. Der Begriff stammt aus den Zeiten der Mangelwirtschaft während des 2. Weltkrieges und hielt sich in der Zeit der kommunistischen Planwirtschaft der DDR. Es geht um Waren, deren Angebot die Nachfrage bei weitem unterschreitet, so daß Ladenbesitzer die seltenen und kostbaren Produkte unter dem Ladentisch horteten, um sie nur auf Nachfrage und nur an erlesene Kunden herauszugeben. Dafür mußte sich dann der Verkäufer unter den Ladentisch bücken: Bückware somit.

Weitere Bedingung für die Entwicklung der Kategorie der Bückwaren ist die Abwesenheit einer Marktwirtschaft, die Angebot und Nachfrage durch den Preis regelt. Das Vorhandensein von Bückwaren weist in jedem Fall darauf hin, daß hinsichtlich bestimmter Waren das Angebot wesentlich geringer ist, als die Nachfrage, die Erhöhung des Angebots aber durch eine planwirtschaftlich agierende Administration verhindert wird.

Es erlaubt daher tiefe Einblicke in die Glaubensökonomie des deutschen Katholizismus, wenn die einzigen beiden Messen, die anlässlich des Katholikentages in der forma extraordinaria zelebriert werden, als Bückware behandelt werden. Die eine taucht im Programmheft überhaupt nicht auf, die anderen unter einem irreführenden Titel.

Für die bevorzugten Leser dieses Blogs darf ich daher einen ganz heißen Tip veröffentlichen:

Levitiertes Hochamt
in der außerordentlichen Form des römischen Ritus
Zelebrant Pater Bernward Deneke
Freitag, den 18. Mai 2012 18 Uhr
Maria Hilf, August-Bebel-Straße 49

Choralamt 
in der außerordentlichen Form des römischen Ritus
Zelebrant; Hochwürden Hendrick Jolie
Samstag, den 19. Mai 2012, 9 Uhr
Maria Hilf, August-Bebel-Straße 49

Das Levitierte Hochamt am Freitag taucht in der Rubrik "Veranstaltung aus Anlaß" und nicht etwa unter "Gottesdienst" auf. Das Choralamt am Samstag ist im Programmheft gleich gar nicht zu finden. 

Als Mitwirkender des Choralamtes am Samstag fühle ich mich natürlich im höchsten Maße dadurch geehrt, daß "unser" Choralamt ÜBERHAUPT NICHT ERWÄHNT WIRD. Offenkundig will man vermeiden, daß TAUSENDE GLÄUBIGE das kleine Kirchlein in der August-Bebel-Straße (TARNUNG!!! wer erwartet schon eine Kirche in einer nach dem Atheisten Bebel benannten Straße!!!) regelrecht ÜBERRENNEN!

Die Heilige Messe auf Augenhöhe mit klassischen Bückwaren-Produkten wie Rotkäppchen-Sekt: das muß einfach eine tiefere Bedeutung haben. Wo doch Rotkäppchen mittlerweile Mumm-Sekt geschluckt hat, und als Rotkäppchen-Mumm Blanchet, und dann Eckes und dann Geldermann und dann Nordhäuser Korn und mittlerweile der größte Wein- und Spirituosenkonzern Deutschlands ist. So kanns kommen.

Bei Gelegenheit des Studiums des Programmheftes fiel mir auf, daß der Titel "einen neuen Aufbruch wagen", der ja zunächst nach einer Parole des kirchlichen Progressismus riecht, und dazu noch doppelt gemoppelt ist (ist doch jeder Aufbruch "neu"), doch einen Bezug zum Evangelium hat, oder wenigsten haben soll. Auf Lukas 5,4 f. soll sich das Motto beziehen.
3. ascendens autem in unam navem quae erat Simonis rogavit eum a terra reducere pusillum et sedens docebat de navicula turbas 4. ut cessavit autem loqui dixit ad Simonem duc in altum et laxate retia vestra in capturam 5. et respondens Simon dixit illi praeceptor per totam noctem laborantes nihil cepimus in verbo autem tuo laxabo rete 6. et cum hoc fecissent concluserunt piscium multitudinem copiosam rumpebatur autem rete eorum 7. et annuerunt sociis qui erant in alia navi ut venirent et adiuvarent eos et venerunt et impleverunt ambas naviculas ita ut mergerentur
3. Da trat er in eines der Schiffe, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Lande wegzufahren; und er setzte sich und lehrte die Menge vom Schiffe aus. 4 Als er aber zu reden aufgehört hatte, sprach er zu Simon: Fahre hinaus auf die Höhe und lasset eure Netze zu einem Fang hinunter! 5. Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht hindurch gearbeitet und nichts gefangen; aber auf Dein Wort will ich das Netz auswerfen! 6. Und als sie das getan, fingen sie eine große Menge Fische; aber ihr Netz zerriß. 7. Da winkten sie den Gefährten, die im andern Schiffe waren, daß sie kämen und ihnen hülfen; und sie kamen und füllten beide Schiffe, so daß sie zu sinken begannen.
Duc in altum: das Motto des Apostolischen Schreibens novo millenio ineunte. Der katholische Doppel-Moppeltag birgt doch noch Überraschungen. Und es hat sicher seine Bewandtnis, daß die wirklich wichtigen Botschaften nur für den Eingeweihten zu entschlüsseln sind. (Bild: besagter Fischzug des Simon)

Donnerstag, 26. April 2012

Papstbefehl zum Kelchwort: Im Exzellenzcluster wackeln die Bärte


Es gibt Menschen, die wandeln als Karikatur ihrer selbst einher. Ein Münsteraner Theologieprofessor mit Kassengestell, über das weitgehend entlaubte Haupt gekämmtem Resthaar, existenzialistischem Schwarzhemd und dreizipfeligem Rauschebart:

Wow!

Also, wenn ich Unterzeichner des "Memorandums der Theologen" wäre, würde ich im maßgeschneiderten Dreiteiler in edlem Zwirn, rahmengenähtem Schuhwerk, Seidenkrawatte, stylischer Frisur (Kunstglatze kommt derzeit sehr gut), Designer-brille und Brioni-Mantel aufschlagen. Weil, wenn ich schon bescheuerte Thesen vertreten müßte, ich dabei nicht auch noch bescheuert aussehen wollte.

Aber die Münsteraner Propellerheads der deutschen Theologie kennen keine Gnade. Inhaltlich sowieso nicht.
Der Münsteraner katholische Theologe Prof. Dr. Klaus Müller sieht den Papstbrief zur Änderung der Wandlungsworte in der Messfeier als kirchenpolitisches Zugeständnis an extrem konservative Kreise. „Denn Benedikt XVI. räumt ausdrücklich ein, dass der bisherige Wortlaut des Kelchworts ‚mein Blut, das für alle vergossen wird…‘ eine Verschmelzung von Übersetzung und Interpretation ist, ‚die sehr wohl begründet war und bleibt‘“, sagte der Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster am Mittwoch. „Der Papst will die Schwelle für die Piusbruderschaft und andere weiter absenken, die die Änderung der Einsetzungsformel in der Messe schon lange fordern.“ Vor allem die von Rom getrennte Priesterbruderschaft lehne wichtige Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils ab, auch die erneuerte Liturgie.
Daran stimmt eigentlich gar nichts. Papst Benedikt hält die "Verschmelzung von Interpretation und Übersetzung" schon mal gar nicht für angemessen - ganz im Gegenteil. Die Änderung der Einsetzungsworte fordert nicht die Piusbruderschaft, vielmehr fordert dies die von der Gottesdienstkongregation erlassene Instruktion "liturgiam authenticam" schon seit dem 7.5. 2001. Den Piusbrüdern geht hingegen die forma ordinaria völlig am Bürzel vorbei, so daß aus dieser Richtung logischerweise bisher auch keine Forderungen zu vernehmen waren.

Unter den Sätzen dieser Erklärung hab ich wirklich Probleme, mir den rauszusuchen, der mir am besten mißfällt. Wie wärs mit diesem:
Prof. Müller plädierte dafür, bei der bisherigen Übersetzung „für alle“ zu bleiben, statt wie vor der Liturgiereform von 1970 während der Eucharistiefeier „für viele“ zu sagen. „Woher will der Papst wissen, ob nicht auch die Evangelisten interpretiert haben“, fragte der Theologe. Den aramäischen Wortlaut Jesu hätten weder die Evangelisten noch die heutige Kirche gehört.
And again: Wow!!!
Kann man eigentlich kaum noch nacherzählen. Danach haben die Liturgierevolutionäre des Jahres 1970 den aramäischen Wortlaut der Einsetzungworte gehört, die die Evangelisten des ersten Jahrhunderts offenkundig falsch verstanden haben. Das ist echt cluster, aber bestimmt nicht exzellent.

Ich hoffe da ja wirklich inständig, daß man auch noch woanders Theologie studieren kann, als in Münster.

Wer sich wundert, warum ich diesen Artikel mit einer Karikatur von Wilhelm Busch illustriere, findet hier eine Erklärung.

Mittwoch, 25. April 2012

Na also, geht doch: Für viele


Nachdem die Deutsche Bischofskonferenz nun über Jahre wegen der korrekten Übersetzung der Wandlungsworte vor allem mit sich selbst gerungen hat, war wohl doch ein klärendes Wort des Heiligen Vaters nötig. Ich frag mich ja schon, wie man das kommentieren sollte. Mit "gut Ding will Weile haben" wohl eher nicht. Dafür ist die Weile schon viel zu lang. Denn schon die von der Kongregation für den Gottesdienst am 28.3.2001 erlassene Instruktion "liturgiam authenticam" verlangte eine Übersetzung, die sich an den nicht etwa "nur" liturgisch, sondern auch biblisch überlieferten Worten Jesu zu orientieren habe. Dieser unmißverständliche Auftrag wird also nicht erst seit 2, 3 sondern seit vielen Jahren ignoriert.

Übrigens nicht nur in Bezug auf die Wandlungsworte sondern auch in Bezug auf andere elementare Texte, etwa das Apostolische Glaubensbekenntnis. Folgt man der Instruktion, so ist "Carnis resurrectionem" ebenfalls wörtlich zu übersetzen, nämlich mit "Auferstehung des Fleisches". Wer sich ein wenig mit Dogmengeschichte auskennt, wird sehr gut wissen, warum nur diese Übersetzung nicht nur wörtlich, sondern auch dem Sinne nach die richtige ist. Im übrigen war im üblichen katholischen, wie auch dem evangelischen deutschen Glaubensbekenntnis die Übersetzung bis zum Anbruch des Zeitalters des Neobanalismus identisch "Auferstehung des Fleisches". Nebenbei - bei Katholiken und Lutheraner stieg Christus auch nicht hinab in des Reich des Todes, sondern "fuhr hinunter in die Hölle". Das erstere klingt nach Kaffeefahrt, das letztere nach Höllenfahrt.

Wer sich mit diesem Vorgang - der verschwiemelten Neufassung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses -  befaßt, dem wird auch klar, wo der Hase im Pfeffer liegt. Es ist die interkonfessionelle Front liturgisch/theologischer Lauwarmduscher, die uns für das "Authentische", gewissermaßen den liturgischen doppio exspresso, deutschen Muggefugg andrehen wollen. Dieses spezielle Wassersüpplein jedenfalls verdanken wir einer obskuren "Arbeitsgemeinschaft für liturgische Texte der Kirchen des deutschen Sprachgebietes", die auf die neckische Abkürzung ALT hört. Die Legitimität und berechtigte Authorisierung dieses Vereins darf man hinterfragen.

Als ich noch Student war, und einer linksradikalen PUTZtruppe angehörte, nannte man sowas jedenfalls den "informellen Kader". Muß abgefärbt haben.

Der Heilige Vater hat sich jedenfalls mit einer seiner wundervollen Katechesen darum bemüht, es seinen Exzellencen beizubringen, und auch für den gewöhnlichen Gläubigen ist dieser Text wärmstens zu empfehlen. Bei mir jedenfalls stellte sich wieder der AHA-Effekt ein, dem mir Benedikt der XVI so oft vermittelt hat:
Zunächst sollte es für uns, die wir an seinem Tische sitzen dürfen, Überraschung, Freude und Dankbarkeit bedeuten, dass er mich gerufen hat, dass ich bei ihm sein und ihn kennen darf. „Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad' in seine Kirch' berufen hat ...“. Dann ist dies aber zweitens auch Verantwortung. Wie der Herr die anderen – „alle“ – auf seine Weise erreicht, bleibt letztlich sein Geheimnis. Aber ohne Zweifel ist es eine Verantwortung, von ihm direkt an seinen Tisch gerufen zu sein, so dass ich hören darf: Für euch, für mich hat er gelitten.
Schreibt Benedikt XVI. Mir sagt das, daß es auch in Bezug auf das "Gotteslob" noch einiges zu tun gäbe. Denn das Lied, das Benedikt hier nicht zum ersten Mal zitiert, ist im Gotteslob, jedenfalls seinem Stammteil, nicht mehr zu finden. Hier ist es nachzulesen. Es gibt jedenfalls noch eine Menge zu tun, packen wirs an.

Sonntag, 22. April 2012

Wallfahrt nach Trier: Der Herr hat Dich im Auge, Lümmel!



Schon seit Monaten freue ich mich auf die Wallfahrt nach Trier. Und als ich gehört habe, daß sich Bischof Ackermann, den ich ehrlich gesagt noch nie leiden konnte, ausdrücklich gegen die Gewährung eines besonderen Ablasses für die Wallfahrt ausgesprochen hatten, angeblich aus Rücksicht auf die ökumenischen Geschwisteriche, war meine Vorfreude erst mal weg. Ausgerechnet zum 500.ten Jahrestag der erstmaligen "Zeigung" des Heiligen Rocks kein Ablaß? Geht eigentlich gar nicht.

Kann sich ein Bischof Ackermann eigentlich vorstellen, daß es einen katholischen Gläubigen geben könnte, der wirklich dringend und händeringend eine Gelegenheit sucht, einen vollständigen Ablaß zu erwerben? Ich zweifle, wenn ich das unschuldige Kindergesicht dieses Bischofs sehe. Hat er im Beichtstuhl immer nur von "bread crumb sins" gehört?

Am 21. April bin ich Bischof Ackermann begegnet. Freundlich hat der Ortsbischof die erschienenen Wallfahrer der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften begrüßt. In korrekter inclusive language  begrüßt er umständlich die "Pilgerinnen und Pilger", obwohl unter den zahlreichen Damen sicher keine war, die sich von der grammatikalisch ebenso korrekten politisch aber unkorrekten Ansprache "Liebe Pilger" "ausgeschlossen" gefühlt haben dürfte. Feministinnen dürften keine vor Ort gewesen sein, Ex-Feministinnen schon eher, und denen (ich hatte die Gelegenheit zu einem Kurzinterview) geht das grammatikalisch barocke "Anbiedermeier" moderner Prälaten (ich zitiere!) "tierisch auf die Nüsse".

Aber reden wir von mir und meinen läßlichen (hoffentlich) Sünden. Es sind mehr erschienen als erwartet. In der Kirche St. Maximin (eine zur Turnhalle umgestalteten ehemaligen Klosterkirche) gibt es viel Platz, 1.200 Menschen faßt das Kirchenschiff, die Bestuhlung ist für rund 1.000 Menschen ausreichend. Es sind aber mehr erschienen. Ich stehe also. Der Appell, doch bitte den älteren Pilgern einen Sitzplatz freizumachen, verhallt ungehört. Vor allem bei mir. (Für Unbedarfte: einem Mittsechziger einen Sitzplatz anzubieten stößt nur selten auf die freudige Bereitschaft dieses nett gemeinte Angebot auch anzunehmen.)

Stattdessen flaxe ich mit meinem Nachbarn, einem sportlichen Mittdreißiger mit Pferdeschwanz rum: "Katholisch ist nichts für Weicheier" etc. pp.

Es folgt ein zweistündiger Gottesdienst mit viel Musik, die von einem Chor und einem Orchester vorgetragen wird. Dann eine geniale Predigt von Kardinal Brandmüller. Die Zeit wird lang, meine Füße schmerzen, auf dem nackten Boden zu knien ist hart. Kinder fangen an zu quengeln und zu plärren. Eine tapfere Mutter mit fünf kleinen Söhnen bringt zwei ihrer unruhigen Söhnlein zur Raison, indem sie Ohrfeigen verteilt. Ein Zeichen, wie man sehen wird.

Die Wallfahrt beginnt. Natürlich hab ich keine Regensachen dabei. Aber der Regen ist eiskalt, es stürmt, eine liebe Freundin gibt mir einen alten Schirm, himmelblau mit Röschen. Der Schirm ist klein, ich teile ihn mit einem anderen Wallfahrer, wir werden beide naß. Spätestens auf dem Marktplatz geht es im eiskalten Regen nur noch zentimeterweise voran, der Weg von der Porta Nigra bis zur Kirche nimmt zwei Stunden in Anspruch.

Große Plakate auf dem Weg, die verkünden, daß man ganz und gar nicht die Reliquie verehrt, sondern Jesus Christus. (Vor meinem geistigen Auge erscheint wieder der kindergesichtige Herr Bischof) Auf dem Vorplatz eine Kunstinstallation aus Bindfäden in Rot und Weiß, deren Sinnfreiheit sich kaum übertreffen läßt, daneben Betonkübel mit buntig angestrichenen Ästen in den Pastellfarben, die mich so sehr an die Kunst-am-Bau-Tradition der Nierentischepoche erinnern.

Ich fühle mich an einen Kindergeburtstag erinnert. Im Eingangspavillon kann man einen "Lebensfaden" abgeben, der dann auf einem Webstuhl verarbeitet wird. Wir befinden uns offenbar auf einem Event der Textilindustrie.

Die Pilger halten sich bei Laune, indem sie das Wallfahrtsbüchlein durchsingen, zwei junge Männer mit kräftigen Stimmen rezitieren eine endlose Jesuslitanei, es geht voran. Endlich kommt der Heilige Rock in Sicht. Aber um den Rock herum stehen grimmige Kirchendiener (vor meinem geistigen Auge erscheinen sie als rotgewandete gehörnte Wesen mit Schweif und dreizackigen Gabeln) die die Gläubigen antreiben, nicht zu lange zu bleiben.

Nein, ich beschwere mich nicht. Großmäuligkeit - meine Hauptsünde - findet ihre gerechte Strafe. Ein bißchen Demut hätte mich wahrscheinlich vor schmerzenden Knochen und nassen Klamotten bewahrt. Unbußfertigkeit wird manchmal eben sofort bestraft. Mit Ohrfeigen oder mit schmerzenden Füßen und Knien. Und mit der Schmach, sich mit einem himmelblauen Regenschirm mit Röschen vor dem Regen schützen zu müssen. Oder damit, daß ich mir viel länger als eigentlich notwendig die Kunstaktionen auf dem Vorplatz dieser großartigen Kirche ansehen muß.

Aber alles war in Wirklichkeit wunderbar. Das Institut Christus König und Hoherpriester hat die Messe formvollendet in der klassischen Feierlichkeit des Usus antiquior zelebriert. Chor und Orchester haben ihr Bestes gegeben. Das Haus war übervoll. Kardinal Brandmüller hatte für die Gläubigen ein ganz besonderes wundervolles Geschenk mitgebracht: Nach dem Pontifikalamt wurde ein Dekret verlesen, daß den erschienenen Pilger einen vollständigen Ablaß unter den üblichen Bedingungen zusagt. Bischof Ackermann ist noch anwesend. Was denkt er nun?

Filmbericht: hier.

Donnerstag, 19. April 2012

Dem Schwulen ist alles schwul

David Berger hat wieder unerbittlich zugeschlagen. Und ich stelle gerade fest, daß ein Thema, daß ich schon auf "materamata" aufgegriffen hatte, noch immer brandaktuell ist. Daß nämlich gesellschaftliche Minderheiten, die sich aus ihre Rolle als Minderheit  herausträumen, dazu neigen, die sie umgebende Gesellschaft als weitgehend identisch anzusehen. Wer an seinem Minderheitendasein leidet, was Politschwule wie Berger oder Beck oder der vor 40 Jahren verstorbene linksradikale Theoretiker Krahl niemals zugeben würden, lebt häufig im Glauben, keiner Minderheit anzugehören, sondern in Wirklichkeit der Mehrheit.

Zwischen den beiden folgenden Texten liegen fast 50 Jahre Geschichte, die Autoren verbindet ihre Homosexualität und ihre Sicht auf die Gesellschaft und vor allem die Kirche.
derstandard.at: Herr Berger, wer geht heute noch ins Priesterseminar? Berger: Ich sage immer ein bisschen spaßhaft, die sind zu 80 Prozent sehr konservativ und zu 70 Prozent sind sie homophil/homophob. Das ist so das Spektrum, das heute ins Priesterseminar geht. Wenn dann irgendwelche Skandale auffliegen, wie 2004 in St. Pölten, dann merkt man, dass da durchaus was dran ist. St. Pölten ist geradezu ein Schlüsselerlebnis, um zu sehen, wie paart sich extremer Konservativismus - denn das waren Regens Küchl, Subregens Rothe und sicher auch Krenn - mit extremer Homophilie in all ihren Schattierungen.
Und hier Hans Jürgen Krahl, stockschwuler Chefideologe des SDS anno 1960 + x
Die entscheidende Rezeption des platonischen CHORISMOS erfolgt durch die paulinische Uminterpretation des Homosexuellen Jesus. Das Fleisch ist die sündige, von Gott, der reinen Identität in ihrer Trinität, abgefallene Materie. Der Zeugungsakt ist strenge Pflicht. Alle Lust ist sündig. Verlagerte Platon das Lustprinzip in die Sphäre der Identität, der gleichgeschlechtlichen Liebe, so wird diese von Paulus verbannt. Homosexualität ist Liebe zu Gott, zu Jesus - dem fleischgewordenen Logos -, das heisst mönchisches Leben; reine Lust ist Askese. Durch diese aufs abstrakte Jenseits gerichtete und umfunktionierte Sexualität schlägt in Europa alles Erotische ins Neurotische um (verklemmte Homosexualität).
Fatal, daß die heutige Gesellschaft diesen Traum mitträumt. Der sexualpolitische Chefideologe des SDS Reimut Reiche hat dies in einem Akt zu später Erkenntnis mit der "Homosexualisierung der Gesellschaft" beschrieben.

Montag, 16. April 2012

Ad multos annos: Oremus pro pontifice nostro Benedicto


Schon erstaunlich, wer dem Papst so alles zum Geburtstag gratuliert und in welcher Weise. Oder auch nicht gratuliert und vielmehr blöde Artikel schreibt. Hier wäre jedenfalls mal der lustigste Beitrag. Natürlich von Matthias Mattussek. Paul Baddes Artikel gehören zu den Gründen, warum ich mittlerweile die "Welt" abonniert habe. Christian Geyer gehört zu den Nervensägen, die mich dazu gebracht haben, mein FAZ-Abo zu kündigen. Aber dieser Artikel ist wirklich lesenswert - jedenfalls teilweise. Braut des Lammes Blog gehört sowieso zu meinen Lieblingsblogs und hat wieder ein wunderschönes Bild zu bieten. Das Video von Beiboot Petri unbedingt ansehen! Auch die Piusbruderschaft gratuliert (indem sie catholically completly correct für den Papst betet). Der eindeutig blödeste Beitrag stammt heuer mal nicht von WiSiKi, die Palme für den schrägsten Beitrag zum Jubelfest gebührt vielmehr: Tadaaaah! Dem FOCUS.

Die Highlights:
2007 erleichterte Benedikt XVI. die Voraussetzungen, unter denen ein Priester die Messe nach tridentinischem Ritus halten darf: auf Latein, mit dem Rücken zu den Gläubigen. Sie war nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 nahezu ausgestorben....
Ausgestorben? Der Alte Ritus hat doch wohl eher einen Ausrottungsversuch knapp überlebt.
Die Entscheidung (für die Seligsprechung Johannes Paul des IIten) hat Benedikt XVI. zwar unter den Gläubigen Sympathie gebracht, aber Kritiker zu scharfen Worten animiert. „Es wäre (…) besser gewesen, die nächste oder übernächste Generation hätte darüber befunden, ob Johannes Pauls Beitrag zur Überwindung der kommunistischen Diktaturen schwerer wiegt als sein autoritäres Kirchenregiment, sein Eintreten für die Menschenrechte höher zu bewerten ist als seine Ignoranz gegenüber der sexuellen Gewalt, die Kirchenmitarbeiter Kindern antaten“, schrieb ein Kommentator der „Süddeutschen Zeitung“. 
Die Süddeutsche? Das ultimate Fachblatt für authentische Katholizität - jedenfalls in den Augen des Focus.
Nachdem Benedikt XVI. die Nutzung des alten lateinischen Messbuchs im Sommer 2007 wieder erlaubt hatte, musste er eine Fürbitte darin ersetzten, in der die Juden als „treulos“ verunglimpft wurden. Er schrieb eine Variante, in der man bittet, Gott möge die Herzen der Juden erleuchten, damit sie Jesus Christus erkennen. Manche Juden fanden das in Ordnung, schließlich würden auch Juden für die Bekehrung von Christen beten. Andere waren empört....
Nur damit sich dieser Quatsch nicht weiter verbreitet: Die nach der Reform durch Johannes den XXII gültige Karfreitagsfürbitte  des Messbuchs von 1962 für die Juden lautete:
Oremus et pro Judaeis; ut Deus et Dominus noster auferat velamen de cordibus eorum: ut ipsi cognoscant Jesum Christum Dominum nostrum.
Nix mit "perfidis" (treulos). Dieses Wort stammt aus der Version vor der Reform durch Johannes XXIII.
Oremus et pro perfidis Judaeis: Ut Deus et Dominus noster auferat velamen de cordibus eorum...
Nicht immer, wie man sieht, aber immer öfter schreiben in der deutschen Qualitätspresse Redakteure über Katholisches, die offenkundig VÖLLIG AHNUNGSLOS sind.

Sonntag, 15. April 2012

Frauen und Kinder zuerst


Heute vor hundert Jahren sank die Titanic, mehr als 1.500 Menschen starben bei diesem Unglück. Es gab Schiffsunglücke, bei denen mehr Menschen starben, doch eigenartigerweise gilt der Untergang der Titanic fast schon als Synonym der Schiffskatastrophe.

Warum das so war, ist schwer zu erklären.

War es die fast unglaubliche Verkettung unglücklicher Umstände, daß trotz der modernen Ausstattung des Schiffes mit modernen Kommunikationsmitteln die Warnung vor Eisbergen unbeachtet blieb, daß der Kapitän nicht die Geschwindigkeit drosseln ließ, obwohl er wissen konnte, daß er damit das Schiff, die Passagiere und die Besatzung einer großen Gefahr aussetzte, daß ausgerechnet das einzige Schiff, das nah genug war, um die Menschen der sinkenden Titanic zu retten, die Maschinen gestoppt hatte und daß der Funker auf diesem Schiff schlief? Daß keine Alarmanlagen vorhanden waren, um alle schlafenden Passagiere aufzuwecken, keine Alarmübung durchgeführt worden war, so daß noch nicht einmal alle Plätze, die auf den Rettungsbooten vorhanden waren, besetzt wurden.

War es die Tatsache, daß ausgerechnet auf der Jungfernfahrt des damals größten und modernsten Schiffes seiner Zeit, eine furchtbare Katastrophe geschah.

War der Untergang ein Fanal, ein Menetekel, das die Hybris, den Glauben an die Machbarkeit, die technische Überlegenheit des Industriezeitalters zunichte machte?

Wohl nicht. Die Untersuchung zeigte, daß  kein wesentlicher Mangel vorlag, es war ein Unglück, kaum vermeidbar. Die Sicherheitsmängel, die dieses Unglück aufzeigte, wurden behoben. Wenige Jahr später hätte sich ein solcher Unfall aufgrund der technischen und rechtlichen Verbesserungen nicht mehr ereignen können.

Viele Mythen kursieren über den Untergang dieses Schiffes. Angeblich glaubten die Schiffseigner und der Kapitän an die Unsinkbarkeit des Schiffes - was nicht zutraf. Der Kapitän des Schiffes scheiterte angeblich an seinem Ehrgeiz und seiner Arroganz - was die Untersuchung nicht bestätigte. Der Kapitän ging mit seinem Schiff unter, wie es der Ehrenkodex des Gentleman zur See von ihm erwartete.

Der höhere Anteil der Geretteten in der ersten und zweiten Klasse gegenüber der dritten bestätigte angeblich die Gewissenlosigkeit der britischen Klassengesellschaft. Auch dies traf nicht zu.

Weniger die Klassenzugehörigkeit bestimmte, wer sterben mußte, und wer überlebte, sondern die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht. Die Überlebensrate der Frauen und Kinder, die auf dem Schiff waren, war dramatisch höher, als die Überlebensrate der Männer. So überlebten von den Passagieren der 2. Klasse alle Kinder und 86% der Frauen aber nur 8% der Männer. Unter der Mannschaft, den Passagieren der 1. und 3. Klasse war das Verhältnis der beiden Geschlechter unter den toten und Überlebenden weniger dramatisch, doch während von den Frauen und Kindern 70% überlebten, überlebten von den Männern nur 20%.

Die Offiziere, die die Evakuierung überwachten, hielten sich weitgehend strikt an die Birkenhead-Regel: Frauen und Kinder zuerst. Der Offizier Lightoller, der für die Evakuierung der Backbordseite zuständig war, ließ nur Frauen und Kinder in die Boote, selbst dann, wenn die Boote nicht bis auf den letzten Platz besetzt waren.

Mich beschäftigt der Gedanke, was die Männer an diesem Schiff antrieb. Und wie sich wohl die Männer auf einem sinkenden Schiff heute in Zeiten der "Gleichstellung" verhielten. "Frauen und Kinder zuerst" - gilt das noch?

Vielleicht erinnerten sich die verheirateten Männer auf der Titanic an die Lesung aus dem Epheserbrief, der ihnen, ob katholisch oder evangelisch oder anglikanisch bei ihrer Eheschließung vorgelesen worden war.
Ihr Männer, liebet eure Frauen, gleichwie auch Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, (Epheser 5,25)
Die Lesung ist nicht mehr pc. Selbst in der katholischen Leseordnung wird nur noch - wenn überhaupt - ein Torso der früheren Lesung gelesen. Die wenigsten Eheleute entscheiden sich für den "alten" Text.

Der moderne Lebensabschnittsbegleiter will sich nicht daran erinnern lassen, daß von ihm die Hingabe seines ganzen Lebens erwartet wird.

Wie würde sich wohl der moderne Mann verhalten, versetzte ihn eine Zeitmaschine in das Zeitalter der "Birkenhead" oder der "Titanic"? So wie der Kapitän der "Costa Concordia"? Der ist bekanntlich zufällig in eines der ersten Rettungsboote gefallen, als die Evakuierung noch lange nicht abgeschlossen war.

Freitag, 13. April 2012

Inzestverbot: Warum Christian Ströbele kein "Einsamer Spinner" ist


Zu dem vor kurzem veröffentlichten Urteil des EGMR zum im deutschen Strafrecht verankerten Inzestverbot hat sich unter anderem der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Christian Ströbele kritisch geäußert. Auch meine - mittlerweile nach den Piraten - absolute Lieblingsjugendorganisation, die Junggrünen finden den EGMR ganz schrecklich spießig. Der EGMR bewerte "altbackene Moralvorstellungen offenbar höher als die Grundrechte auf freie Selbstbestimmung."

Konkret ging es um ein Geschwisterpaar, daß vier Kinder "das Leben geschenkt" hatte. Zwei dieser Kinder sind schwer behindert, drei leben nicht bei ihren Eltern, sondern in Pflegefamilien. Nicht unbedingt ein Beispiel für Lebensfreude und Glück, eher ein Beispiel für die guten Gründen, die es für das Verbot von inzestuösen Beziehungen gibt.

Wer nun die Junggrünen und Ströbele als abseitige Spinner abtut, täuscht sich. Zwar hat der EGMR - vorläufig - das deutsche Inzestverbot bestätigt, aber eine Entscheidung des Senats steht noch aus. Denkbar, daß sich der EGMR doch noch anders entscheidet. Je nachdem, wie der Zeitgeist weht, nach dessen Winden sich der EGMR schon seit eh und jeh gedreht hat wie das sprichwörtliche Fähnlein. Schließlich gibt es kaum ein Gericht in Europa, das dank seiner von der jeweiligen Länderexekutive abhängigen Rekrutierung der Richter "politischer" entscheidet als der manchmal unsägliche EGMR.

Auch das deutsche Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das der Entscheidung voranging, war schon gerichtsintern nicht unbestritten. Kein geringerer als der Vorsitzende der zweiten Kammer gab im Jahre 2008 ein Sondervotum ab, mit dem er die mehrheitliche Entscheidung des Senats kritisierte. Winfried Hassemer hat dabei so recht den Kern einer wetterwendischen Zeitgeistjustiz dargestellt. Wer meint, das Kapitel sei nun abgeschlossen, sollte sich mit diesem Sondervotum auseinandersetzen. Ich stelle nicht in Frage, daß Hassemer völlig zu recht einige Absonderlichkeiten der deutschen Regelung kritisiert. Warum der Inzest etwa nur unter Erwachsenen strafbar ist, nicht aber unter (strafmündigen) Jugendlichen kann niemand wirklich erklären. Aber darum geht es dem Zeitgeistjuristen Hassemer nicht.
Mit diesen Grundanforderungen an Beschränkung und Klarheit verträgt es sich nicht, wenn die Senatsmehrheit § 173 Abs. 2 Satz 2 StGB in der „Zusammenfassung nachvollziehbarer Strafzwecke vor dem Hintergrund einer kulturhistorisch begründeten, nach wie vor wirkkräftigen gesellschaftlichen Überzeugung von der Strafwürdigkeit des Inzests, wie sie auch im internationalen Recht festzustellen ist", gerechtfertigt sieht. Weder eine nebulöse kulturhistorisch begründete, wirkkräftige gesellschaftliche Überzeugung (sollte sie sich wirklich auf eine Strafwürdigkeit des Inzests beziehen und nicht bloß auf seine soziale Ächtung) noch eine (im Übrigen lückenhafte und vielfach divergente) Strafbarkeit im internationalen Vergleich sind imstande, eine Strafnorm verfassungsrechtlich zu legitimieren.
Darüber zu philosophieren, ist an diesem Ort sinnvoll nicht möglich. Aber es ist doch angebracht, in Hassemers Verachtung jeglicher "kulturhistorisch begründeten Überzeugung" einen Traditionsbruch aufzuzeigen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in den Jahren der jungen Bundesrepublik, wie auch die anderen hohen Gericht des Landes, als Hüterin einer naturrechtlich begründeten Tradition im besten Sinne des Wortes verstanden. In einem Urteil des BGH aus dem Jahr 1952 konnte man noch folgenden Satz lesen:
Der herrschenden, von der christlichen Sittenlehre her bestimmten Kulturanschauung über Wesen und Persönlichkeit des Menschen widerspricht es, den für die Erhaltung von Sachwerten angemessenen Grundsatz des kleineren Übels anzuwenden und den rechtlichen Unwert der Tat nach dem sozialen Gesamtergebnis abzuwägen, wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen.
Robert Spaemann hat dieses Urteil zum Ausgangspunkt einer interessanten moralthologischen Ausarbeitung gemacht. Bleibt jedenfalls festzustellen, daß die von der christlichen Sittenlehre her bestimmte Kulturanschauung jedenfalls nicht mehr "herrscht". Vielmehr ist die grün-piratische, wie es bei Juristen heißt "im Vordringen befindlich". Wolln wir mal sehen. Ich befürchte wie immer das Schlimmste.

Donnerstag, 12. April 2012

AIEEEK!!!!!!! DAS ARCHITEKTURELLE UND TEXTILE GRAUEN NAHT!


Nachdem Alipius auf diese wahrlich erlesene kirchenarchtektonische Abscheulichkeit hingewiesen hat, ein kleiner Link auf eine meiner Lieblingsseiten, die es sich angelegen sein läßt das vorwiegend TEXTILE GRAUEN insbesondere der anglikanischen Reformfraktion ungeschminkt und ohne Gnade an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren.

Sonntag, 8. April 2012

Ostern: Den Blick zum Himmel richten

Die astronomische Uhr am Rathaus zu Prag
Das eigentlich bedrohliche Dunkel für den Menschen ist es doch, daß er zwar die greifbaren materiellen Dinge sehen und untersuchen kann, daß er aber nicht sieht, wohin die Welt geht und woher sie kommt. Wohin unser eigenes Leben geht. Was das Gute und was das Böse ist. Das Gottesdunkel und das Wertedunkel ist die eigentliche Bedrohung unserer Existenz und der Welt überhaupt. Wenn Gott und die Werte, der Unterschied von Gut und Böse dunkel bleiben, dann sind alle anderen Erleuchtungen, die uns ein so unglaubliches Können ermöglichen, nicht nur Fortschritte, sondern zugleich Bedrohungen, die uns und die Welt gefährden. Wir können heute unsere Städte so grell erleuchten, daß die Sterne des Himmels nicht mehr sichtbar sind. Ist das nicht ein Bild für die Problematik unserer Aufgeklärtheit? Wir wissen und können in den materiellen Dingen unerhört vieles, aber was darüber hinausgeht, Gott und das Gute, vermögen wir nicht mehr zu identifizieren. Deshalb ist der Glaube, der uns das Licht Gottes zeigt, die wahre Aufklärung, ist Einbruch von Gottes Licht in unsere Welt, Öffnung unserer Augen für das wirkliche Licht. 
Ist es nicht ein Sinnbild dieses Prozesses, den Benedikt der XVI in seiner Osterhomilie benennt, daß von unseren Kirchtürmen und Rathäusern die astronomischen Uhren verschwunden sind, und daß die Zeitzerhacker, die ihren Platz eingenommen haben, uns die "Eisenbahnzeit" zeigen?

Samstag, 7. April 2012

Karfreitag: Kleine Rechtskunde für Piraten

Hinrichtung des Seeräubers Störtebeker auf dem Grasbrook in Hammurch
Ne, Piraten sind mir nicht sympathisch. Mit Piratenmären und der Glorifizierung von gewöhnlichen Dieben, Räubern und Mördern zu Widerstandskämpfern bin ich als Sohn einer Friesin groß geworden. Meine natürliche Neugier hat mich dazu gebracht, mich mit diesem Metier näher zu befassen. Die Seeräuber des Mittelalters machten keine Gefangenen. Die Mannschaften der gekaperten Schief wurden zur Belustigung der Mannschaft "über die Planke geschickt". Ihre Gegner waren mit dem Köpfeabschneiden auch ganz fleißig, aber sie waren wenigstens im Recht.

Eine Partei, die sich "Piraten" nennt, hat da schon einige Mühe, um bei mir Sympathien zu wecken. Zumal sich das Programm ja zunächst auf die Legalisierung des Diebstahls fremden geistigen Eigentums beschränkt. Viel mehr ist da ja nicht los, abgesehen von dem müffelnden Politikmüll, der sich inzwischen dort sammelt. Daß dazu die atjakobinischen Parolen der Déchristianisation gehören, war schon im Berliner Wahlkampf zu lesen.

Dabei ist mir ja die Abschaffung der Kirchensteuer ja gar nicht so unsympathisch, der Rest wie die Behauptung es gäbe da "finanzielle und strukturelle Privilegien einzelner Glaubensgemeinschaften" ist aus dem Programm klassischer antiklerikaler Vereinigungen geklaut.

Mit ihrer Aktion gegen das "Tanzverbot" an Karfreitag haben die Piraten ein hübsches Lehrstück geboten.
Das Landesgesetz greift aus religiös motivierten Gründen in unzulässiger Form in die allgemeine Freiheit ein.
Schon ein Blick ins Gesetz hätte die kleinen Jakobinerlein eines Besseren belehren können. § 8 des HFeiertagsG verbietet ja "öffentliche Tanzveranstaltungen", "öffentliche sportliche Veranstaltungen gewerblicher Art" sowie sonstige "Aufzüge und Umzüge" die nicht dem Charakter des Tages entsprechen nicht nur an Karfreitag, sondern auch am Volkstrauertag und am Totensonntag.

Folgt man der piratisch-grünen Logik greift die Regelung doch wohl auch an diesen beiden Tagen in die "allgemeine Freiheit" ein. Sogar aus noch viel böseren Gründen. An beiden Tagen wurde nämlich ursprünglich an die Toten des 1. Weltkriegs und der Befreiungskriege gedacht. Der Ewigkeitssonntag ist gar preußischen Ursprungs, also ganz und gar Autobahn, und wird ja nicht etwa von allen Christen, sondern nur von denen evangelischer Konfession begangen.

Zu Tanzdemos an beiden Tagen hat bisher noch keiner aufgerufen. Oder keine. Wie auch immer.

Der Piratin Marina Weisbands Beitrag zur Debatte spricht Bände. Was sagt uns der Liebling des deutschen Follitons?:
"Wir mobilisieren nicht gegen eine Religion, sondern dagegen, dass der Glaube Einzelner das Leben aller beeinflusst“, sagte sie vor dem Verbot in einem Interview der „Berliner Zeitung“. „Alle Katholiken können beten und besinnlich sein“, betonte Weisband. „Aber wir wollen nicht, dass außerhalb ihrer Sichtweite Tanzverbot herrscht, und rufen alle, die unsere Sicht teilen, übers Internet zum Mitmachen auf. Das ist Widerstreit der Ideen, ganz normale Demokratie“.
Da ließe sich einiges zu sagen. Würden sie nicht gegen eine Religion mobilisieren, hätte sie wohl nicht ausgerechnet an Karfreitag zum Flashmob mobilisiert. Tanzverbote gibt es in den Feiertagsgesetzen der Länder nämlich dutzendweis. Daß Karfreitag keineswegs ein katholischer Feiertag, sondern ein christlicher, sogar ein eher mehr evangelischer als katholischer hat Marina Weisband offenbar noch niemand erklärt. Und schließlich geht es ja nicht darum daß "außerhalb der Sichtweite" katholischer Christen nicht getanzt werden darf, das ist ja keineswegs verboten, es geht explizit um "öffentliche" Lustbarkeiten.

Vom Widerstreit der Ideen in diesem Zusammenhang zu reden, ist Nonsens. Es geht nicht um den "demokratischen Diskurs", sondern schlicht darum, daß es die Regeln des bürgerlichen Anstands gebieten, nicht Hulligulli zu machen, wenn der Nachbar trauert. Und daß diese Regeln des bürgerlichen Anstands nun einmal in Gesetzesform gegossen sind, ist nicht kritisierenswürdig sondern rechtsstaatlich völlig normal, so normal wie die Straßenverkehrsordnung und das bürgerliche Gesetzbuch.

Als im vergangenen Jahr die Grüne Jugend zur Tanzdemo gegen den Karfreitag aufrief, stießen auf dem Römerberg eine kroatische Karfreitagsprozession und die - welch Symbol - mit Kopfhörern drapierten autistisch zuckenden Junggrünen aufeinander. Eine veritable antikatholische Demonstration also.

Daß sich ausgerechnet Marina Weisband an die Spitze einer Aktion des Neuen Kulturkampfes setzt, hat dabei eine eigene Dramatik. Marina Weisband entstammt einer jüdischen Familie, die als jüdische Kontingentflüchtlinge - als aus religiösen Gründen Verfolgte also - aus der ehemaligen Sowjetunion flüchtete. Sie selbst bezeichnet sich als gläubige Jüdin. Daß eine junge Frau mit einem solchen Hintergrund Demonstrationen organisiert, die einen  unverhüllt antichristlichen Charakter haben, ist nicht zu verstehen. Die gläubige Jüdin Marina Weisband Seit´an Seit´ mit dem militant atheistischen "Bund für Geistesfreiheit"? Eine Mesalliance. Oder jugendliche Unbedarftheit, hoffentlich. Letzteres wäre ja noch zu beheben.

Montag, 2. April 2012

Geistesblitz: Palmsonntag und ein Regenmantel


We did it. Wir haben am Sonntag den Tractus (das heißt übersetzt gaaaanz langes Lied) gesungen. Keiner ist eingeschlafen, die Menge der Gläubigen hat nicht gemurrt, vielmehr war es ganz mucksmäuschenstill in der Kirche. (Keinem ist aufgefallen, daß wir uns mehrfach "versungen" haben). Vor der Messe eine kleine Prozession halt nur in der Kirche und - weil wir eben so was nicht mehr haben - ohne Pluviale.

Ich habe mich eigentlich immer gewundert, warum die Priester in der gregorianischen Messe während des Asperges ein solches Dings tragen. Ein Pluviale nämlich. Kommt von (bininderschulemitlateingequältworden) pluvia. Regen. Der Priester tritt in der gregorianischen Messe also zunächst mal im Regenmantel auf. Verschwindet dann in der Sakristei und kommt in der Kasel gekleidet wieder. Warum?

Hier ein kleiner Hinweis. Darum. Weil nämlich in alter Zeit jede Messe mit einer Prozession begann. Die Prozession vor Beginn der Messe am Palmsonntag ist also gar nichts besonderes. Und weil Prozessionen im Freien stattfinden, braucht es eben ein Pluviale, einen Regenmantel. Später wurden die Prozessionen auf die paar Minütchen eingedampft, während denen die Schola das "Asperges" singt. Und in der nachkonziliaren Reform fiel dann dieses sowieso nur ganz kleinwinzige Prozessiönchen ganz weg. Auch die Pluviale landeten bei der Altkleidersammlung (oder wie das obige Prachtexemplar im Museum).

Ein Hinweis darauf, daß die Palmsonntagsliturgie auf sehr alte Traditionen zurückgeht, die offenbar vergessen sind. Wie ja auch der tractus, der in der Messe von Palmsonntag gesungen wird, musikalisch und liturgisch auf eine sehr alte Tradition zurückgeht. Sonntag also waren wir Jesus Christus ein ganzes Stück näher, wir sind auf seinem Weg gewandelt, dem Weg nach Jerusalem, und der Psalm der als tractus gesungen wird, ist der Psalm, den Jesus Christus am Kreuz zitiert: Gott, mein Gott warum hast du mich verlassen.