Samstag, 7. April 2012

Karfreitag: Kleine Rechtskunde für Piraten

Hinrichtung des Seeräubers Störtebeker auf dem Grasbrook in Hammurch
Ne, Piraten sind mir nicht sympathisch. Mit Piratenmären und der Glorifizierung von gewöhnlichen Dieben, Räubern und Mördern zu Widerstandskämpfern bin ich als Sohn einer Friesin groß geworden. Meine natürliche Neugier hat mich dazu gebracht, mich mit diesem Metier näher zu befassen. Die Seeräuber des Mittelalters machten keine Gefangenen. Die Mannschaften der gekaperten Schief wurden zur Belustigung der Mannschaft "über die Planke geschickt". Ihre Gegner waren mit dem Köpfeabschneiden auch ganz fleißig, aber sie waren wenigstens im Recht.

Eine Partei, die sich "Piraten" nennt, hat da schon einige Mühe, um bei mir Sympathien zu wecken. Zumal sich das Programm ja zunächst auf die Legalisierung des Diebstahls fremden geistigen Eigentums beschränkt. Viel mehr ist da ja nicht los, abgesehen von dem müffelnden Politikmüll, der sich inzwischen dort sammelt. Daß dazu die atjakobinischen Parolen der Déchristianisation gehören, war schon im Berliner Wahlkampf zu lesen.

Dabei ist mir ja die Abschaffung der Kirchensteuer ja gar nicht so unsympathisch, der Rest wie die Behauptung es gäbe da "finanzielle und strukturelle Privilegien einzelner Glaubensgemeinschaften" ist aus dem Programm klassischer antiklerikaler Vereinigungen geklaut.

Mit ihrer Aktion gegen das "Tanzverbot" an Karfreitag haben die Piraten ein hübsches Lehrstück geboten.
Das Landesgesetz greift aus religiös motivierten Gründen in unzulässiger Form in die allgemeine Freiheit ein.
Schon ein Blick ins Gesetz hätte die kleinen Jakobinerlein eines Besseren belehren können. § 8 des HFeiertagsG verbietet ja "öffentliche Tanzveranstaltungen", "öffentliche sportliche Veranstaltungen gewerblicher Art" sowie sonstige "Aufzüge und Umzüge" die nicht dem Charakter des Tages entsprechen nicht nur an Karfreitag, sondern auch am Volkstrauertag und am Totensonntag.

Folgt man der piratisch-grünen Logik greift die Regelung doch wohl auch an diesen beiden Tagen in die "allgemeine Freiheit" ein. Sogar aus noch viel böseren Gründen. An beiden Tagen wurde nämlich ursprünglich an die Toten des 1. Weltkriegs und der Befreiungskriege gedacht. Der Ewigkeitssonntag ist gar preußischen Ursprungs, also ganz und gar Autobahn, und wird ja nicht etwa von allen Christen, sondern nur von denen evangelischer Konfession begangen.

Zu Tanzdemos an beiden Tagen hat bisher noch keiner aufgerufen. Oder keine. Wie auch immer.

Der Piratin Marina Weisbands Beitrag zur Debatte spricht Bände. Was sagt uns der Liebling des deutschen Follitons?:
"Wir mobilisieren nicht gegen eine Religion, sondern dagegen, dass der Glaube Einzelner das Leben aller beeinflusst“, sagte sie vor dem Verbot in einem Interview der „Berliner Zeitung“. „Alle Katholiken können beten und besinnlich sein“, betonte Weisband. „Aber wir wollen nicht, dass außerhalb ihrer Sichtweite Tanzverbot herrscht, und rufen alle, die unsere Sicht teilen, übers Internet zum Mitmachen auf. Das ist Widerstreit der Ideen, ganz normale Demokratie“.
Da ließe sich einiges zu sagen. Würden sie nicht gegen eine Religion mobilisieren, hätte sie wohl nicht ausgerechnet an Karfreitag zum Flashmob mobilisiert. Tanzverbote gibt es in den Feiertagsgesetzen der Länder nämlich dutzendweis. Daß Karfreitag keineswegs ein katholischer Feiertag, sondern ein christlicher, sogar ein eher mehr evangelischer als katholischer hat Marina Weisband offenbar noch niemand erklärt. Und schließlich geht es ja nicht darum daß "außerhalb der Sichtweite" katholischer Christen nicht getanzt werden darf, das ist ja keineswegs verboten, es geht explizit um "öffentliche" Lustbarkeiten.

Vom Widerstreit der Ideen in diesem Zusammenhang zu reden, ist Nonsens. Es geht nicht um den "demokratischen Diskurs", sondern schlicht darum, daß es die Regeln des bürgerlichen Anstands gebieten, nicht Hulligulli zu machen, wenn der Nachbar trauert. Und daß diese Regeln des bürgerlichen Anstands nun einmal in Gesetzesform gegossen sind, ist nicht kritisierenswürdig sondern rechtsstaatlich völlig normal, so normal wie die Straßenverkehrsordnung und das bürgerliche Gesetzbuch.

Als im vergangenen Jahr die Grüne Jugend zur Tanzdemo gegen den Karfreitag aufrief, stießen auf dem Römerberg eine kroatische Karfreitagsprozession und die - welch Symbol - mit Kopfhörern drapierten autistisch zuckenden Junggrünen aufeinander. Eine veritable antikatholische Demonstration also.

Daß sich ausgerechnet Marina Weisband an die Spitze einer Aktion des Neuen Kulturkampfes setzt, hat dabei eine eigene Dramatik. Marina Weisband entstammt einer jüdischen Familie, die als jüdische Kontingentflüchtlinge - als aus religiösen Gründen Verfolgte also - aus der ehemaligen Sowjetunion flüchtete. Sie selbst bezeichnet sich als gläubige Jüdin. Daß eine junge Frau mit einem solchen Hintergrund Demonstrationen organisiert, die einen  unverhüllt antichristlichen Charakter haben, ist nicht zu verstehen. Die gläubige Jüdin Marina Weisband Seit´an Seit´ mit dem militant atheistischen "Bund für Geistesfreiheit"? Eine Mesalliance. Oder jugendliche Unbedarftheit, hoffentlich. Letzteres wäre ja noch zu beheben.

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