Sonntag, 22. April 2012

Wallfahrt nach Trier: Der Herr hat Dich im Auge, Lümmel!



Schon seit Monaten freue ich mich auf die Wallfahrt nach Trier. Und als ich gehört habe, daß sich Bischof Ackermann, den ich ehrlich gesagt noch nie leiden konnte, ausdrücklich gegen die Gewährung eines besonderen Ablasses für die Wallfahrt ausgesprochen hatten, angeblich aus Rücksicht auf die ökumenischen Geschwisteriche, war meine Vorfreude erst mal weg. Ausgerechnet zum 500.ten Jahrestag der erstmaligen "Zeigung" des Heiligen Rocks kein Ablaß? Geht eigentlich gar nicht.

Kann sich ein Bischof Ackermann eigentlich vorstellen, daß es einen katholischen Gläubigen geben könnte, der wirklich dringend und händeringend eine Gelegenheit sucht, einen vollständigen Ablaß zu erwerben? Ich zweifle, wenn ich das unschuldige Kindergesicht dieses Bischofs sehe. Hat er im Beichtstuhl immer nur von "bread crumb sins" gehört?

Am 21. April bin ich Bischof Ackermann begegnet. Freundlich hat der Ortsbischof die erschienenen Wallfahrer der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften begrüßt. In korrekter inclusive language  begrüßt er umständlich die "Pilgerinnen und Pilger", obwohl unter den zahlreichen Damen sicher keine war, die sich von der grammatikalisch ebenso korrekten politisch aber unkorrekten Ansprache "Liebe Pilger" "ausgeschlossen" gefühlt haben dürfte. Feministinnen dürften keine vor Ort gewesen sein, Ex-Feministinnen schon eher, und denen (ich hatte die Gelegenheit zu einem Kurzinterview) geht das grammatikalisch barocke "Anbiedermeier" moderner Prälaten (ich zitiere!) "tierisch auf die Nüsse".

Aber reden wir von mir und meinen läßlichen (hoffentlich) Sünden. Es sind mehr erschienen als erwartet. In der Kirche St. Maximin (eine zur Turnhalle umgestalteten ehemaligen Klosterkirche) gibt es viel Platz, 1.200 Menschen faßt das Kirchenschiff, die Bestuhlung ist für rund 1.000 Menschen ausreichend. Es sind aber mehr erschienen. Ich stehe also. Der Appell, doch bitte den älteren Pilgern einen Sitzplatz freizumachen, verhallt ungehört. Vor allem bei mir. (Für Unbedarfte: einem Mittsechziger einen Sitzplatz anzubieten stößt nur selten auf die freudige Bereitschaft dieses nett gemeinte Angebot auch anzunehmen.)

Stattdessen flaxe ich mit meinem Nachbarn, einem sportlichen Mittdreißiger mit Pferdeschwanz rum: "Katholisch ist nichts für Weicheier" etc. pp.

Es folgt ein zweistündiger Gottesdienst mit viel Musik, die von einem Chor und einem Orchester vorgetragen wird. Dann eine geniale Predigt von Kardinal Brandmüller. Die Zeit wird lang, meine Füße schmerzen, auf dem nackten Boden zu knien ist hart. Kinder fangen an zu quengeln und zu plärren. Eine tapfere Mutter mit fünf kleinen Söhnen bringt zwei ihrer unruhigen Söhnlein zur Raison, indem sie Ohrfeigen verteilt. Ein Zeichen, wie man sehen wird.

Die Wallfahrt beginnt. Natürlich hab ich keine Regensachen dabei. Aber der Regen ist eiskalt, es stürmt, eine liebe Freundin gibt mir einen alten Schirm, himmelblau mit Röschen. Der Schirm ist klein, ich teile ihn mit einem anderen Wallfahrer, wir werden beide naß. Spätestens auf dem Marktplatz geht es im eiskalten Regen nur noch zentimeterweise voran, der Weg von der Porta Nigra bis zur Kirche nimmt zwei Stunden in Anspruch.

Große Plakate auf dem Weg, die verkünden, daß man ganz und gar nicht die Reliquie verehrt, sondern Jesus Christus. (Vor meinem geistigen Auge erscheint wieder der kindergesichtige Herr Bischof) Auf dem Vorplatz eine Kunstinstallation aus Bindfäden in Rot und Weiß, deren Sinnfreiheit sich kaum übertreffen läßt, daneben Betonkübel mit buntig angestrichenen Ästen in den Pastellfarben, die mich so sehr an die Kunst-am-Bau-Tradition der Nierentischepoche erinnern.

Ich fühle mich an einen Kindergeburtstag erinnert. Im Eingangspavillon kann man einen "Lebensfaden" abgeben, der dann auf einem Webstuhl verarbeitet wird. Wir befinden uns offenbar auf einem Event der Textilindustrie.

Die Pilger halten sich bei Laune, indem sie das Wallfahrtsbüchlein durchsingen, zwei junge Männer mit kräftigen Stimmen rezitieren eine endlose Jesuslitanei, es geht voran. Endlich kommt der Heilige Rock in Sicht. Aber um den Rock herum stehen grimmige Kirchendiener (vor meinem geistigen Auge erscheinen sie als rotgewandete gehörnte Wesen mit Schweif und dreizackigen Gabeln) die die Gläubigen antreiben, nicht zu lange zu bleiben.

Nein, ich beschwere mich nicht. Großmäuligkeit - meine Hauptsünde - findet ihre gerechte Strafe. Ein bißchen Demut hätte mich wahrscheinlich vor schmerzenden Knochen und nassen Klamotten bewahrt. Unbußfertigkeit wird manchmal eben sofort bestraft. Mit Ohrfeigen oder mit schmerzenden Füßen und Knien. Und mit der Schmach, sich mit einem himmelblauen Regenschirm mit Röschen vor dem Regen schützen zu müssen. Oder damit, daß ich mir viel länger als eigentlich notwendig die Kunstaktionen auf dem Vorplatz dieser großartigen Kirche ansehen muß.

Aber alles war in Wirklichkeit wunderbar. Das Institut Christus König und Hoherpriester hat die Messe formvollendet in der klassischen Feierlichkeit des Usus antiquior zelebriert. Chor und Orchester haben ihr Bestes gegeben. Das Haus war übervoll. Kardinal Brandmüller hatte für die Gläubigen ein ganz besonderes wundervolles Geschenk mitgebracht: Nach dem Pontifikalamt wurde ein Dekret verlesen, daß den erschienenen Pilger einen vollständigen Ablaß unter den üblichen Bedingungen zusagt. Bischof Ackermann ist noch anwesend. Was denkt er nun?

Filmbericht: hier.

2 Kommentare:

  1. So war's. Vielen Dank für den Bericht und eine Korrektur: der liturgische Dienst wurde von der Priesterbruderschaft St. Petrus ausgeübt und zwar unter extrem widrigen Umständen (wie schlechter Akustik). Es wäre schön, wenn jemand noch Hinweise auf Schola und Musik geben könnte.

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  2. Verlinkt!
    http://frischer-wind.blogspot.de/2012/04/erste-eindrucke-von-der-hl-rock.html

    Schöne Grüße!

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