Die Erschießung des Paters Franzisco Vera im Jahre 1927 |
Er wünsche sich eine arme Kirche an der Seite der Armen hören wir vor unserem neuen Papst.
Belloc und Chesterton hätten wohl bei dem Satz von der "armen Kirche an der Seite der Armen" die Stirn gerunzelt - wahlweise den Kopf geschüttelt. Sie waren nämlich der Überzeugung, daß die Verarmung und Enteignung der Kirche Ursache der Armut der Bevölkerung in der Zeit der Entstehung des Proletarianismus/Kapitalismus sei. Folgt man ChesterBelloc, war die arme Kirche nicht etwa eine Kirche für die Armen, sondern bestenfalls eine Kirche bei den Armen. Die selben Kräfte, die die Kirche im Mutterland des Kapitalismus enteigneten und in den Untergrund trieben, trieben die verarmten und enteigneten Bauern in die Gosse.
Die moderne Sichtweise - auch die der Kirche - ist die, daß die Verarmung und Entmachtung der Kirche ihre Erlösung von der sündigen Versuchung der Macht und des Reichtums gewesen sei. ChesterBelloc zeigen aber auf, daß dieser Raub weder die Erlösung der Kirche, noch die Erlösung und Befreiung der Ärmeren gewesen sei, sondern vielmehr Ursache der modernen Sklaverei, des "Servile State".
Wirtschaftsgeschichtlich vertreten die beiden Theoretiker, Schriftsteller und Politiker gegen Marx und Max Weber eine These über die Entstehung des modernen Kapitalismus - der ja zunächst zu einer breiten Verarmung geführt hat - die, als ich den "Servile States" das erste mal las, für mich weit mehr Plausibilität für sich hat, als Marxens These von den Ursachen und Wegen der "Ursprünglichen Akkumulation".
Die mystische Theorie Max Webers, wonach der Kapitalismus die gewissermaßen materielle Folge der geistigen Revolution des Calvinismus sei, stellt Belloc vom Kopf auf die Füße. Der frühe Kapitalismus, die "Ursprüngliche Akkumulation", im kapitalistischen Mutterland England die Akkumulation fast der Hälfte des gesellschaftlichen Reichtums in der Hand einer kleinen Schicht von Großgrundbesitzern, ging der protestantischen Revolution voraus und folgte ihre nicht nach.
Die Voraussetzung dieser historisch beispiellosen Akkumulation von Reichtum in den Händen weniger aber war - die "arme Kirche".
Es war die Enteignung der Kirche unter Heinrich dem VIIIten, und die Verteilung der Beute vor allem unter den ohnehin schon Reichen und Mächtigen, die die Enteignung und Pauperisierung großer Teile der Bevölkerung verursachte. Vor der Vertreibung und Enteignung der Orden und der Kirche war etwa 25 bis 30 Prozent des Grundeigentums in den Händen von Kirche und Orden. Die Vernichtung der katholischen Kirche in England führte dazu, daß 20 Prozent des Landes zusätzlich in das Vermögen einer Klasse von Großgrundbesitzer kam, die schon 25 bis 30 Prozent des gesellschaftlichen Vermögens besaß.
Das Vorhaben der Krone, sich das enteignete Kirchenland anzueignen, scheiterte an den mächtigen Lords, denen der schwache Nachfolger Heinrichs nichts entgegensetzen konnte. Einmal im Besitz der Hälfte des Landes, war es diese Klasse, die die politische Zukunft des Landes bestimmte. Sie setzte nach Belieben entweder in der blutigen Revolution Cromwells oder in der nicht unblutigen aber weniger blutigen "Glorious Revolution" den König ab, und ersetzte ihn durch einen Monarchen, der sich in einer stetig schwächeren Position sah, um schließlich nur noch das Land zu repräsentieren, statt es zu regieren.
Der gestürzte und katholische James II von England vertrat eine Politik der religiösen Toleranz, die Sieger trieben die katholische Kirche erneut in den Untergrund. Nicht der Protestantismus - oder genauer, der Anti-Katholizismus - etablierte den Kapitalismus, vielmehr etablierte der Kapitalismus den Protestantismus. Webers These verkehrt damit Ursache und Wirkung.
Aber halten wir fest: die arme Kirche war die Voraussetzung für die Pauperisierung der Landbevölkerung und für die Entstehung eines von jedem Besitz an den Produktionsmitteln ausgeschlossenen Proletariats. Die Idee von der "armen Kirche an der Seite der Armen" ist nicht nur liturgisch-theologisch fragwürdig, sie ist auch wirtschaftstheoretisch, politiktheoretisch und historisch falsch. Die Verarmung der Kirche war eine der Ursachen der Verarmung der Bevölkerung.
Die historische Abfolge, die die Entwicklung des kapitalistischen Mutterlandes England kennzeichnet, wiederholte sich in anderen Ländern Europas. Im Norden Europas war das Bollwerk Kirche allerdings schon beseitigt, in den katholischen Ländern des südlichen Europa wurde das Hindernis erst im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts zur Seite geräumt. Auch dort folgte der Enteignung der Kirche die Enteignung der Masse der Bevölkerung. So hat sich etwa der Süden Italiens von seiner "Befreiung" durch die Truppen des "aufgeklärten" Cavour und des Freimaurers Garibaldis wirtschaftlich nie mehr erholt, blieb auf immer die verarmte Kolonie des Nordens.
Die Enteignung der französischen Kirche ist mit einem der größten wirtschaftlichen Desaster der Neuzeit verbunden: der Einführung der Assignaten-Währung. Dieses war der Vorläufer des "linken" Papiergelds unserer Tage.
Das alles liegt lange zurück, so lange, daß sich heute wieder ein Papst eine "arme Kirche an der Seite der Armen" wünscht. Und dabei von allen linken und ganz linken Katholikenhassern des Landes, heißen sie Deckers oder Wensierski bejubelt wird.
Der katholische Denker Belloc aber hat ein völlig "umlinkes" und womöglich unserem in den Kategorien der "sozialen Gerechtigkeit" denkenden Papst unbekanntes Motto seinem Buch über den "Sklavenstaat" vorangestellt.
If we do not restore the Instititution of property, we cannot escape restoring the Institution of Slavery; there is no third course.
Wow, wieder mal ein Posting erster Klasse, dass mich nachdenken macht. Vielen Dank dafür! Ich gehe allerdings davon aus, oder hoffe im Stillen, dass unser Pontifex die Armut der Kirche nicht mit Rausverkauf von ecclesialem Hab und Gut gleichsetzt. Vielmehr etwa wie der Patron aller Pastoren, der heilige Jean Marie, der eine abgewetzte Soutane bei den Leuten mit einem prächtig goldenen Kelch in der Kirche zu vereinen wusste.
AntwortenLöschengrandioser Artikel! Und ich sehe mit freuden, daß Du Chesterbelloc desöfteren zitierst. Three acres and a cow!
AntwortenLöschenAh! Noch ein ChesterBelloc-Leser. "They are willing to give him a vote, because they have long discovered that it need not to give him any power. They are not willing to give him a house, or a wife, or a child, or a dog, or a cow, or a piece of land, because these things really do give him power."
AntwortenLöschenDanke, Johannes! Die Kirche ist nicht arm, war nie arm und wird nie arm sein. Sie ist ueberreich, sie ist die Koenigin des Universums.
AntwortenLöschenVery good!
AntwortenLöschenIch meine wie will man denn, wenn man nix hat, dem Armen helfen?
Man kann dann höchstens mit ihm gemeinsam das gemeinsame Unglück beklagen.
Wie kommst Du denn darauf, dass unser Papst das politisch meinen könnte? Oder dass er etwas gegen Privatbesitz hätte? ich glaube nicht, dass er dass so meint.
AntwortenLöschenDie Kirche wird reich sein, solange sie arm sein will. Will sie aber reich sein, "suchte sie Macht, Reichtum und Ehre, so hieße das aus der Gnade fallen" (Kard. J. H. Newman).
Ich habe schon den Eindruck, dass z. B. gerade bei uns in Deutschland die Kirche nach weltlicher Anerkennung (Ehren) und nach Wohlstand strebt und sich ihres Reichtums brüstet (es sei nur an die Aussagen des Herrn Erzbischofs Zollitsch erinnert, wie großzügig doch die deutsche Kirche sei). Hier scheint es mir geboten, dass die Kirche sich "entweltlicht", wie BXVI. es ausgedrückt hat, und wieder arm sein will um wirklich reich zu sein.
Nein, ich glaube nicht, dass der "Wirtschafts- und Finanzkonzern Kirche" mit zig untereinander munkelnden Firmen, Versicherungen und Versicherungsmaklern, Banken, Unternehmensberatungen, Medienimperien etc. etc. im Sinne des Erfinders, sprich nach dem Willen Jesu Christi ist. Da reicht es, das Evangelium zu lesen...
Die Kirche - der Leib Christi - sind wir ja alle. Auch z.B. die Familien. Und Familien brauchen materielle Mittel, um leben zu koennen, um den Leib Christi weiter zu vervollstaendigen, indem sie Kinder bekommen, versorgen, ernaehren, kleiden, erziehen, fuer ihre Gesundheit sorgen, den Leib als Tempel des Heiligen Geistes pflegen, Dafuer braucht es "Wohlstand" in Gerechtigkeit, das heisst, jeder bekommt, was er benoetigt. (Wohin es z.B. fuehrt, wenn Kinder in armen Schulsystemen nicht gut gelehrt werden, sehen wir im Schaden der sexuellen Frueherziehung oder eben im Gegenteil, wenn sie gar nicht oder falsch sexualpaedagogisch erzogen werden und kleine gezeugte Menschen als Zellklumpen ansehen)
AntwortenLöschenNein, ich moechte nicht, dass Familien als Leib Christi arm sind und ihre Kinder nicht versorgen koennen mit dem was sie brauchen. Das ist eine ganz schlimme Geissel des Schlechten.
Wohlstand hat einen Wert, und dieser Wert wird im besonderen Masse (entschuldigung, kein sz) klar durch freiwillig gewaehlte Armut wie es der Klerus tut und herzlichen Dank dafuer!
Wenn der Papst davon spricht, dass er sich eine arme Kirche wuenscht, verstehe ich das nicht. Dann fuehle ich mich angesprochen, denn auch ich bin Kirche. Nicht jeder soll und darf den evangelischen Rat der Armut erfuellen. Dass alles von Gott kommt ist doch sowieso klar und wir mit nichts vor ihm stehen auch.
Die Kirche ist unsere Mutter, sie ist die Heilige Maria selbst. Aus Maria kam alles - GOTT, alles was war, ist und sein wird, incl. Materie, die auch aus und von Gott geschaffen wurde.
Die Kirche ist reich, sie ist im Besitz aller Gueter.
Kann sein, dass ich nicht verstehe, was der Papst sagen wollte. Oder er hat sich nicht ganz klar ausgedrueckt.
@Frischer Wind. Ich habe die Äußerung Bergoglios zu wirtschaftlichen und sozialen Fragen nachverfolgt, so gut es geht. Außer "linker" Rhetorik - habe ich nichts gefunden. Daß die Kirche nach ihrer Enteignung und Entmachtung - also der Vernichtung des Kirchenstaates - "zu sich" gefunden hat, haben große christliche Denker, durchaus nicht nur katholische, ganz anders gesehen. Selbst konservative evangelische Christen - etwa der Begründer der "Kreuz-Zeitung" Ludwig von Gerlach - verteidigten de Existenz des Krichenstaates. Sie haben recht behalten. Politisch war die Kirche in Europa seitdem ausgeschaltet. Die verzweifelten Versuche Benedikts XV, den Ersten Weltkrieg zu beenden, waren die Versuche einer machtlos gewordenen Kirche, hinter der keinerlei politische Macht mehr stand. Die europäische Geschichte - nicht nur die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte wäre anderes verlaufen, hätte man die Kirche nicht arm gemacht. Three acres an a cow!
AntwortenLöschenAls Mensch der sein Leben lang Geldsorgen hat und hatte, kann ich nur sagen, ich begreif echt nicht, wie man von einer Kirche der Armen träumen kann.
AntwortenLöschenSoweit ich das um mich herum sehe, werden diese Träume Franziskus' auch nur von denen gut geheißen und geteilt, die genau eines nicht haben, nämlich Geldsorgen.
Will heißen es ist einfach eine Sache, mit einem dicken Bankkonto und doppelter Pension bescheiden zu leben, weil man es halt cool findet sparsam zu sein.
Es ist was komplett anderes, sparen zu müssen.
@Kerstin und Ester
AntwortenLöschenIch denke, es ist ein Missverständnis, zu meinen, der Papst meine, dass Familien (oder Gläubige) ihren standesgemäßen Lebensstandard zugunsten eines Lebens in Armut aufgeben sollen.
Er "träumt" - nach meinem Verständnis - auch nicht von einer "Kirche der Armen", sondern von einer Kirche, die sich der Armen annimmt und ihnen hilft, die Folgen der Armut zu überwinden (eine Kirche FÜR die Armen", und das vor allem dadurch, dass sie ihnen an erster Stelle die Möglichkeit gibt, Christus in den Sakramenten zu begegnen. Vieles andere ergibt sich daraus.
vgl. z.B.
http://www.30giorni.it/articoli_id_21628_l5.htm
Dazu braucht es keine teuren Projekte und Riesenaktionen (s. BDKJ oder ZdK) oder riesige Wasserkopf-Bürokratien, wie es sie in Deutschland in jedem Bistum gibt. Schon garnicht braucht es dafür kirchliche gewinnorientierte Unternehmen, sei es "Weltbild", Versicherungsagenturen, Unternehmensberatungen und was sonst noch so unter "kirchlichen Unternehmen" fällt. Diese weltlichen Beschäftigungen behindern die Kirche in ihrem eigentlichen Auftrag, nämlich das Evangelium zu verkünden, die Menschen zu taufen und sie zu lehren, nach Gottes Willen zu leben.
Vielleicht bringt es auch etwas mehr Klarheit, wenn man sich in aller Ruhe durchliest, was der Katechismus zur Armut sagt:
http://www.vatican.va/archive/DEU0035/__P92.HTM
und
http://www.vatican.va/archive/DEU0035/__P8L.HTM
Im Übrigen gelten die Seligpreisungen und das Streben nach evangelischer Armut nicht nur für die Ordensleute (der "Klerus" hat in der Regel kein Armuts-Gelübde), sondern für alle, die Jesus Christus nachfolgen wollen. Und für uns alle (auch für Familienmitglieder) gilt, dass sie sich einen Schatz im Himmel sammeln sollen. Und nochmals: das hat nichts damit zu tun, dass man sich materiell so arm macht (!), dass man seine Kinder nicht mehr ernähren kann...
@Johannes
Nach wie vor sehe ich keinen Anlass, die Äußerungen von Papst Franziskus als politisch motiviert zu sehen oder verstehen zu müssen. Im Gegenteil (s. Link zu 30Giorni oben).
Auch seine Äußerung gegenüber den Medienvertretern am 16. März 2013 sprechen dagegen:
"Selbst wenn die Kirche gewiss auch eine menschliche, geschichtliche Institution ist mit allem, was damit verbunden ist, so hat sie doch keine politische, sondern eine wesentlich geistliche Natur: Sie ist das Volk Gottes, das heilige Volk Gottes, das unterwegs ist zur Begegnung mit Jesus Christus. Nur in dieser Perspektive kann man vollkommen erklären, was die katholische Kirche bewirkt."
http://www.vatican.va/holy_father/francesco/speeches/2013/march/documents/papa-francesco_20130316_rappresentanti-media_ge.html
Und noch eine kleine Anmerkung, nur eine Nuance, aber doch eine doch nicht unwesentliche: Im italienischen Original sagte Papst Franziskus nicht, dass er "eine arme Kirche für die Armen" wünsche, sondern "eine arme Kirche, und eine Kirche für die Armen".
Die Zukunft wird zeigen, was er tatsächlich gemeint hat. Ihn jetzt schon abzuurteilen finde ich etwas vorschnell...