Freitag, 4. Oktober 2013

Dummdeutsch: Wertkonservativ

Konfuzius. Traditionelle Darstellung

Seit mehr als einem Monat liegt dieser Blog brach. Der Grund ist einfach: horror vacui. Je größer die Leere nach dem letzten Post ist, desto größer der Horror davor, dieses Vaccum zu füllen.

Deshalb fange ich langsam an. Heute mit einem Exkurs zu einem dummen Wort: wertkonservativ. Man hörte das Wort in letzter Zeit öfter. Vor allem von Publizisten und Politikern, gerade auch von denen, sie sich selbst als konservativ einschätzen.

Heute auch ein Einstieg in ein neues Label: Dummdeutsch. Politisch-theologisches Dummdeutsch zumeist, den es sind gerade die politisch-theologischen Begriffe, die verbogen, verfälscht und umgefälscht werden. Mit nachvollziehbarer Absicht.

Absichtsvoll werden die Wörter verbogen. Nehmen wir das Wort Familie: Familie ist dort, wo Kinder sind. Vielleicht die dummdeutscheste aller Begriffsverwirrungen, denn dann wäre ein Kindergarten, eine Kinderkrippe, ein Erziehungsheim, ein Schulbus, ein Spielplatz Familie, denn da sind ja Kinder.

Ein Trupp Jugendamtsmitarbeiter, die mithilfe einer Polizeistreife Kinder klauen, wäre dann Familie, denn in dem Einsatzbus, in dem die weinenden und schreienden Kinder gefangen sind, ist ja dann doch Familie, oder? Die Zahl der "Inobhutnahmen" durch die Jugendämter ist übrigens parallel zur Entleerung der Begriffe "Ehe und Familie" dramatisch gestiegen. Definitionen besitzen materielle Gewalt. Die "traditionelle" Familie gilt nunmehr als Inbegriff eines Gewaltzusammenhangs. Die an Zahl und Anzahl der Gefangenen zunehmenden Kinderbewahranstalten gelten hingegen als Kinderparadies.

Zurück zum Anfang: warum also ist das Wort "konservativ" ungebräuchlich geworden? Weil es prinzipiell einen guten Klang hatte, aber gleichzeitig einem politischen Lager zugeordnet war, dem bürgerlichen Lager. Die sprachliche Cuvée "wertkonservativ" hat einen Autor, und dessen Absichten waren offenkundig. Der Autor dieses Kunstwortes ist der sozialdemokratische Politiker Erhard Eppler. In seinem 1975 erschienen Buch "Ende oder Wende" - das zu dem in den 70er beliebten Genre der Doomsdayliteratur gehört - bezeichnet Eppler seine eigene Position, die eines Ökosozialisten, als "wertkonservativ", die gegnerische Position als "strukturkonservativ". Ansonsten ist das Buch nicht weiter lesenswert, es referiert im wesentlichen die Gruselschocker vom nahen Weltenende, die in den 70igern in Umlauf waren. Der Klappentext, etwa der, den Gustav Heinemann seinem Bruder im Geiste im Spiegel geschrieben hat, sollte genügen. Heute wirken die Thesen - etwa die von der drohenden Überbevölkerung - nur noch peinlich bis fatal.

Das Buch war mit gutem Grund wenig erfolgreich, aber die Aufspaltung des Wortes konservativ in wertkonservativ und strukturkonservativ hatte Bestand. Damit war gelungen, auch der politischen Linken, also den Feinden der konservativen "Gesellschaftsstruktur", beinhaltend die repressive Sexualmoral der Katholischen Kirche, der auf dem privaten Eigentum beruhenden "kapitalistischen" Wirtschaft, der "traditionellen Familie, das positiv besetze Wort "konservativ" zu verleihen. Was ist nun "wertkonservativ"?
Als wertkonservativ bezeichnete Eppler eine Politik, die sich für die Bewahrung der Natur, einer humanen und solidarischen menschlichen Gemeinschaft, sowie Wert und Würde des Einzelnen einsetzt. Damit bezog sich Eppler vor allem auf die in den 1970er Jahren erstarkende Umwelt- und Friedensbewegung.Diese wolle Herrschaftsstrukturen verändern, um bestimmte Werte zu erhalten. (laut wikipedia)
Die grünkommunistische Bewegung um die Altkommunisten, Altanarchisten und Sexualrevolutionäre Trittin, Roth, Cohn-Bendit, Fischer, Kretschmann durften sich nun als wertkonservativ geadelt fühlen, denn für Umweltschutz und für die "humane und solidarische menschliche Gesellschaft", die sich für die "Würde des Einzelnen" einsetzt ist doch schließlich ein jeder, nicht?

Ein Geniestreich. Ein Musterbeispiel für Newspeak, für die absichtsvolle Veränderung der politischen Sprache. Man sollte einen Preis für Sprachverhunzung einführen. Wie wäre es mit der ehernen Brechstange für Sprachunkultur? Erhard Eppler sollte der erste Preisträger sein.
Dsï Lu sprach: »Der Fürst von We wartet auf den Meister, um die Regierung auszuüben. Was würde der Meister zuerst in Angriff nehmen?« Der Meister sprach: »Sicherlich die Richtigstellung der Begriffe.« Dsï Lu sprach: »Darum sollte es sich handeln? Da hat der Meister weit gefehlt! Warum denn deren Richtigstellung?« Der Meister sprach: »Wie roh du bist, Yu! Der Edle läßt das, was er nicht versteht, sozusagen beiseite. Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeiht Moral und Kunst nicht; gedeiht Moral und Kunst nicht, so treffen die Strafen nicht; treffen die Strafen nicht, so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen. Darum sorge der Edle, daß er seine Begriffe unter allen Umständen zu Worte bringen kann und seine Worte unter allen Umständen zu Taten machen kann. Der Edle duldet nicht, daß in seinen Worten irgend etwas in Unordnung ist. Das ist es, worauf alles ankommt.« (Kung Fu Zi)

1 Kommentar:

  1. Danke! Ein sehr guter und aufschlussreicher Artikel! So ähnlich wie dem Wort "wertkonservativ" geht es wohl auch den inflationär gebrauchten Worten "christliche+ Werte".

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