Mittwoch, 3. Juli 2013

Doomsday 3 Juli 1863:Die Schlacht von Gettysburg im Zeitalter des Massenmordes.

Opfer der Schlacht bei Gettysburg

Um meiner Tochter das Klampfen beizubringen, habe ich gestern mein altes Folk-Song-Buch ausgegraben. Schön einfach, ohne Barré-Griffe, also G, D, C, Em. How many roads von Bod Dylan, die richtige Peace-Schnulze für blutige Anfänger.  Doch als ich die Texte analysiere, wird mir schlecht. Eine Zeile wie "how many times must the cannonballs fly, before they´re forever banned" dreht mir heute den Magen um.

Als der ExProtest-Sänger Dylan das Lied dichtete, flogen die Cannonballs schon längst nicht mehr. Die Artillerie schoß schon seit den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts nicht mehr mit "cannonballs", sondern mit  sprengstoffgefüllten Granaten, die Feldartillerie besaß Hinterlader mit gezogenen Läufen, ihre Vernichtungskraft überwog die der "cannonballs" um das Vielfache. Im American Civil War kamen diese Massenvernichtungswaffen zum Einsatz, zusammen mit neuen Präzisionsgewehren mit Minié-Geschossen, erste Maschinengewehre kamen auf beiden Seiten zum Einsatz.

Das Ergebnis war eine Kriegsführung mit apokalyptischen Dimensionen. Mehr als eine Million Menschenleben kostete dieser Krieg, fast ein Füntel der männlichen (weißen) Bevölkerung der Südstaaten verlor ihr Leben, auch der Norden zahlte einen hohen Blutzoll, der prozentual allerdings weniger ins Gewicht fiel. Die politischen und wirtschaftlichen Folgen waren nichts anderes als vernichtend für den Süden. Das durchschnittliche Einkommen in den Südstaaten fiel nach dem Krieg auf lediglich 40% des Durchschnittseinkommens der Nordstaaten, die Verarmung des Südens - einschließlich der schwarzen Bevölkerung, die ihre "Befreiung" teuer bezahlen mußte - hielt sich bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Hatten wir - mein Repertoire von Dylan-Songs war nahezu lückenlos - eine romantische Idee des Krieges? Jedenfalls hatten wir eine romantische Idee dieses Krieges, des American Civil War. Lincolns Propagandaarbeit, mit der er den American Civil War vor allem den gläubigen Menschen in Europa als Krieg für die Menschenrechte der schwarzen Bevölkerung verkaufte, hatte nachhaltigen Erfolg. Auch wenn er offen zugab, daß das Ziel der Wahrung der Einheit der Unvereinigten Staaten von Amerika weit wichtiger war, die Emanzipation der Schwarzen eher Mittel als Ziel des Krieges.

Martin Luther King - ein weiterer Held unserer Zeit - referierte auf den Mythos Lincoln als "Sklavenbefreier". In seiner berühmten Ansprache vom 28. August 1963 - vor dem Abraham-Lincoln-Memorial - bezog er sich zwei mal direkt auf Lincoln, auf dessen Emancipation Declaration wie - rhetorisch - auf die ebenso berühmte Gettysburg Adress.

Nur daß die Emancipation Declaration, die alle schwarzen Sklaven befreite, die auf dem Territorium der Conföderierten lebten, sich eben nur auf diese Sklaven bezog, nicht aber auf die Sklavenstaaten, die sich der Union angeschlossen hatten - die Declaration war eine Lüge, nur eine politische Waffe mit dem Ziel, die Conföderation wirtschaftlich und politisch zu vernichten. Warum nur sprach King ausgerechnet zum Jahrestag dieser Declaration, warum bezog er sich ausgerechnet auf die Gettysburg address, ein rhetorisches Machwerk, dessen inhaltliche Banalität in einem eigenartigen Kontrast zu ihrem rhetorischer Bombast steht.

Martin Luther King war - trotz aller Referenz zu Lincoln - aufgefallen, daß der Scheck, den Lincoln ausgestellt hatte, keine Deckung aufwies. Die ehemaligen schwarzen Sklaven wurden zu schwarzen Lohnsklaven der niedrigsten Stufe.

Die Nation war formell geeint, wie alle anderen Nationen, die aus dem nationalistischen 19. Jahrhundert hervorgingen. Der Blutacker war bereitet für das noch größere Schlachten.

Inzwischen habe ich die Rede von Liao Yiwu gefunden, nach der ich gesucht habe. Paßt sie nicht wunderbar auf alle anderen "Großen Nationen", die ihre Geburt ebenso Großen Blutbädern zu verdanken haben?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen