Freitag, 29. Dezember 2017

Böller für Brot

Die "Girandola"von 1775 gemalt von Jakob Philipp Hackert
Die protestantische, oder besser gesagt, puritanische Kampagne, wonach man bitte sehr für "Brot statt Böller" spenden solle, verleitet mich jedes Jahr dazu, nun erst recht Böller zu kaufen.

Ich halte es lieber mit dem mythischen Erfinder des Neujahrsböllers, dem chinesischen Mönch Li Tan. Li Tan wirkte in der östlichen Provinz Hunan zur Zeit der Tang-Dynastie (618-907 A.D.). Die Provinz plagten regelmäßig Überschwemmungen und nachfolgende Dürren, Mißernten führten zu Hungersnöten. Den Chinesen war, wie jedem vernünftigen Menschen, klar, daß dahinter nur ein böser Geist stecken konnte.

Li Tan, der sich mit der modernen Technik des Feuerwerks auskannte, machte sich daran, diesen Geist mit ohrenbetäubenden Chinaböllern auszutreiben.  Li Tan war sehr erfolgreich, und die Hunan-Chinesen lebten nach Li Tans Feuerwerk glücklich und zufrieden. Sie bauten Li Tan einen Tempel und ehren den pyromantischen Mönch jedes Jahr bis heute mit einem Feiertag am 18. April. Die Heimatstadt Li Tans, Liuyang, gilt heute als die Welt-Hauptstadt des Feuerwerks. Die Region um Liuyang ist die weltweit wichtigste Produktionsstätte für Feuerwerk.

Wer so einen Böller kauft und zündet, sollte sich also darüber im klaren sein, daß er eine apotropäische Handlung vollzieht. Er zündet einen Böller, der nach alter chinesischer Auffassung die Dämonen vertreibt und Glück verbreitet. Die Farbe der Böller ist übrigens immer rot, weil rot in China als Glücksfarbe gilt, es ist Sitte, die roten Papierfetzen mindestens einen Tag liegen zu lassen, denn um so gründlicher verbreitet sich der Segen.

Daß die protestantischen Dauerspielverderber irgendwann auf die Idee kommen würden, den Menschen das Feuerwerk zu vermiesen, war ja schon klar.  aber im Prinzip haben sie nicht die mindeste Chance gegen die religiöse Intuition des Mönches Li Tan, der böllerte, damit die Menschen Reis hatten.

In unserem Herzen wissen wir alle, daß die Welt von bösen und guten Geistern bevölkert ist. Es ist uns auf den Leib geschrieben.  Außerdem können wir es in der Bibel nachlesen. Das Neue Testament berichtet von 12 Dämonenaustreibungen durch Jesus Christus, und von elf Dämonenaustreibungen durch die Apostel. Die Kirche also hat nicht etwa negiert, daß sich auf dieser Erde Dämonen herumtreiben, sie hat vielmehr die Dämonenaustreibung organisiert. Der dritte Weihegrad der niederen Weihen, die bis zum 2. Vaticanum jeder Priester durchlaufen mußte, war der des Exorzisten, es gab ihn seit dem dritten Jahrhundert.

Li Tan tat nichts anderes als die Exorzisten der katholischen Kirche, er vertrieb Dämonen. Wenn wir also einen roten Böller zünden,  erkennen wir an, was die Kirche anerkennt: es gibt Dämonen, und wir müssen etwas gegen sie tun.

Die Päpste der Renaissance hatten im Gegensatz zu den protestantischen und protestantisierenden Christen der heutigen Tage eine gänzlich entspannte Haltung zur Kunst des Feuerwerks. Kein Geringerer als Michelangelo Buonarotti soll das erste Feuerwerk zu Ehren der Apostelfürsten Petrus und Paulus am 29. Juni auf der Engelsburg inszeniert haben. Auch Bernini hat sich als Feuerwerker betätigt.

Die Girandola di Castel Sant´ Angelo wird schon seit dem 15. Jahrhundert inszeniert, das "Feuerrad" (Girandola) brannte zu jedem Apostelfest, aber auch zu Papstkrönungen und zu Ostern, bis zum Jahr 1887, als der nunmehr säkulare Magistrat der Stadt Rom das Feuerwerk unmöglich machte und schließlich verbot.

Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß der antikatholische Furor, der nach 1870, dem Ende des Kirchenstaates, die italienische Politik und die Stadt Rom beherrschte, dazu beigetragen hat, dieses Licht auszulöschen. 1889 errichteten die Freimaurer auf dem römischen Campo die Fiori einem der vermeintlich ihren, dem Ketzer Giordano Bruno, ein Denkmal.

Ich für meinen Teil werde am 31.12. zu Ehren des chinesischen Mönchs Li Tan und in Gedenken an den katholischen Feuerwerker Michelangelo Buonarotti um Punkt 24 Uhr den dicksten roten Chinaböller anzünden, den ich habe.

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