Freitag, 29. Juni 2012

Beschneidungsurteil: Richter, Hippies, Rousseauisten


Henryk Broder hat mal wieder recht: nicht nur Muslime, nicht nur Juden, sondern auch Christen sollten sich vor diesem Urteil fürchten. Auch wenn der Artikel letztlich nur Aufhänger ist, um einen guten Witz zu erzählen, der Anlaß ist ernst. Todernst. Es droht die Machtergreifung einer neuen "gewaltfreien" dabei hochagressiven Staatsreligion grün-rousseauistischer Prägung. Oder genauer gesagt, wir wohnen dieser Machtergreifung bei, sie findet statt, sie rollt über uns hinweg und droht, uns zu begraben.

Eine launige Zwischenbemerkung Broders (eigentlich ist ja alles von Henryk eine launige Zwischenbemerkung) sollte Katholiken übrigens zu denken geben.
Sollte das Kölner Urteil Bbestand haben, wird sich einiges ändern. Die Christen werden aufhören, Neujahr zu feiern, denn dies ist der Tag, an dem Jesus beschnitten wurde. Statt dessen werden progressive Theologen die Frage stellen, ob Maria und Joseph verantwortungsbewusste Eltern waren.
Mit Henryk teile ich eine tiefsitzende Abneigung gegen progressive Theologen, aber davon abgesehen, stelle ich wieder einmal fest, daß der Jude Broder mehr über die katholische Kirche weiß, als die meisten Katholiken.  Denn ist der erste Januar, das Oktavfest von Weihnachten wirklich noch als "Fest der Beschneidung des Herrn" bekannt? In meiner Sammlung alter Messbücher heißt das Fest in der Auflage des Schott 1934 noch so: "In Circumcisione Domini".

Heute nun nennt sich das katholische Neujahrsfest "Oktavtag von Weihnachten, Hochfest der Gottesmutter Maria". Verräterisch. Hat man doch im nachkonziliaren Kalender Marienfeste in der Regel "entmarianisiert" - aus Mariä Lichtmess etwa wurde ein Herrenfest, "Darstellung des Herrn". Die Absicht ist eindeutig: der Archaismus Beschneidung möge aus der Erinnerung der katholischen Christen verschwinden. Derselbe Neue Katholizismus, der in "Nostra aetate" sich philosemitisch gebärdet, entjudet die Liturgie.

Wenn selbst die katholische Kirche ihren Ekel über das "archaische" Judentum und seine "blutigen Riten" kaum noch verbergen kann, warum sollen dann progressive deutsche Richter diesem Ekel keinen Ausdruck verleihen dürfen?  Mit welchem Recht kritisieren deutsche Bischöfe denn kölnische Richter?

Nun gehört das Urteil ja zu denen, die uns deutlich machen, daß nicht etwa deutsch, sondern Juristendeutsch Gerichtssprache ist.
Die aufgrund elterlicher Einwilligung aus religiösen Gründen von einem Arzt ordnungsgemäß durchgeführte Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen Knaben ist nicht unter dem Gesichtspunkt der sogenannten "Sozialadäquanz" vom Tatbestand ausgeschlossen. Die Entwicklung der gegenteiligen Auffassung durch Exner (Sozialadäquanz im Strafrecht - Zur Knabenbeschneidung, Berlin 2011, insbesondere Bl. 189 f.) überzeugt nicht. Die Eltern bzw. der Beschneider sollen demnach nicht über § 17 StGB entschuldigt sein. Der Veranlassung der Beschneidung durch die Eltern soll auch keine rechtfertigende Wirkung zukommen, da dem Recht der Eltern auf religiöse Kindererziehung in Abwägung zum Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung kein Vorrang zukomme, so dass mit der Einwilligung in die Beschneidung ein Widerspruch zum Kindeswohl festzustellen sei. Gleichwohl soll der gegen das Kindeswohl verstoßende und nicht entschuldigte Vorgang sozial unauffällig, allgemein gebilligt und geschichtlich üblich und daher dem formellen Strafbarkeitsverdikt entzogen sein.
§ 17 StGB befaßt sich mit dem sogenannten Verbotsirrtum. Das Argument des Gerichts überzeugt, so leid es mir tut. Nur weil etwas "geschichtlich üblich" ist, ist es noch nicht gerechtfertigt. Auch das Spießrutenlaufen war "geschichtlich üblich".
Nach richtiger Auffassung kommt der Sozialadäquanz neben dem Erfordernis tatbestandspezifischer Verhaltensmissbilligung keine selbstständige Bedeutung zu. Die Sozialadäquanz eines Verhaltens ist vielmehr lediglich die Kehrseite dessen, dass ein rechtliches Missbilligungsurteil nicht gefällt werden kann. Ihr kommt nicht die Funktion zu, ein vorhandenes Missbilligungsurteil aufzuheben (vgl. Freund in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., vor §§ 13 ff. Rn. 159; im Ergebnis ebenso: Fischer, StGB, 59. Aufl., § 223 Rn. 6 c, anders noch bis zur 55. Aufl., § 223 Rnr. 6 b; wie hier ferner: Herzberg, JZ 2009, 332 ff.; derselbe Medizinrecht 2012, 169 ff.; Putzke NJW 2008, 1568 ff.; Jerouschek NStZ 2008, 313 ff.; a.A. auch: Rohe JZ 2007, 801, 802 und Schwarz JZ 2008, 1125 ff.).
Klingt für Nichtjuristen ziemlich verknorzt, ist aber einfach zu erklären. Eine Handlung, die in sich zu missbilligen ist, wird nicht dadurch billigenswert, indem man sie mit dem nichtssagenden Allerweltsprädikat "sozialadäquat" beschönigt (ein fachjuristisches Wieselwort, dessen Bedeutungsverlust ich nicht betraure) . Die Zitatenkette zeigt, daß sich das Gericht auf die führenden Kommentar und auf eine "im Vordringen befindliche Rechtsmeinung" beruft. Es möge sich also niemand in der Illusion wiegen, es handele sich hier um die Exotenmeinung eines verrückt gewordenen Kölner Fastnachtsnarrengerichts.
Gemäß § 1627 Satz 1 BGB sind vom Sorgerecht nur Erziehungsmaßnahmen gedeckt, die dem Wohl des Kindes dienen. Nach wohl herrschender Auffassung in der Literatur (vgl. Schlehofer in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., vor §§ 32 ff. Rn. 43; Lenckner/Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., vor §§ 32 ff. Rn. 41; Jerouschek NStZ 2008, 313, 319; wohl auch Exner a.a.O.; Herzberg a.a.O.; Putzke a.a.O.) entspricht die Beschneidung des nicht einwilligungsfähigen Knaben weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfeldes noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes. ... Bei der Abstimmung der betroffenen Grundrechte ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Die in der Beschneidung zur religiösen Erziehung liegende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist, wenn sie denn erforderlich sein sollte, jedenfalls unangemessen. Das folgt aus der Wertung des § 1631 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Auch hier wieder: die führenden Kommentare und hochaktuelle Aufsätze von Rechtswissenschaftler stützen die Auffassung des Gerichts. Das Gericht kann sich vor allem auf eine im Jahr 2000 verkündete gesetzliche Neuregelung berufen, die ich zu den zahlreichen "Umerziehungsgesetzen" (Lebenspartnerschaftsgesetz, Legalisierung der Prostitution etc) der rotgrünen Regierungsepoche zähle.
§ 1631 Abs. Satz 1 BGB lautet: Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.
Als dieser Paragraph in das BGB aufgenommen wurde, gab es keine Kritik. Naive Parlamentarier glaubten wohl, damit würde verdeutlicht, was immer schon gegolten habe. Dabei hätte schon der Begriff "gewaltfrei", ein krauses Unsinnswort der urgrünen politischen Semantik, die Alarmglocken schrillen lassen müssen. Offenbar sollte die hippieske Alternativpädagogik der ökopazifistischen Szene zur Norm erhoben werden. Jubelkommentare hoben damals hervor, daß es darum ginge, die Mehrheit ("Untersuchungen" sprechen von mehr als 80 %) der nach wie vor "gewalttätigen" deutschen Elternschaft im Sinne der linkspazifistischen Alternativpädagogik "umzuerziehen". Man muß nicht unbedingt Anhänger der "pädagogischen Ohrfeige" sein, um den unverhüllt erziehungsdiktatorischen Impetus der Vorschrift zu erkennen. Der verlinkte Kommentar ist zur Lektüre ausdrücklich empfohlen.

Hier liegt nun der Hase im Pfeffer. Leben wir in einer Erziehungsdiktatur, so kann in dieser Diktatur nur EIN Erziehungstil gelten. Selbst ein Klaps - eine schwache körperliche Berührung also - ist verboten. Angesagt ist vielmehr die Alternativpädagogik , die mit dem Mittel des Psychoterrors vor allem aber dem Irrsinn der "Selbstregulierung" (Odenwaldschule!) häufig wesentlich größere seelische Schäden bei Kindern anrichtet, als der "traditionelle" Erziehungsstil einer kleinen, aber spontanen Strafe. (Meine Kinder haben viele Jahre eine alternativpädagogische Einrichtung besucht, ich weiß, wovon ich rede, am Ende herrschte dort übrigens der "traditionelle" Erziehungsstil)

In dieser Erziehungsdiktatur sind auch Urteile wie die des Kölner Landgerichts folgerichtig.

Nun haben wir es ja mit einer Hippie-Diktatur zu tun, die gewaltfrei, basisdemokratisch, ökologisch und sozial nur stets mit Blümchen um sich wirft. Aber da wir ja gerade vor kurzem den 300sten Geburtstag von Rousseau begangen haben, können wir uns mit dem historischen Beispiel einer "gewaltfreien" Erziehungsdiktatur beschäftigen. Rousseau glaubte an das "Gute im Menschen" - wie die Hippiegrünen unserer Tage, wie Cem Özdemir, Renate Künast und Claudia Roth. Er glaubte an den "edlen Wilden", wie die linksalternativen Hobbyethnologen unserer Tage, für die jede hinterwäldlerische Steinzeitkultur so unendlich viel wertvoller ist als die christlich-abendländische Zivilisation. Er glaubte an den Contrat sozial und die "volonté Generale", wie alle "Basisdemokraten" denen der vorgebliche Volkswille heilig  ist. Er glaubte an die Zivilreligion, die alle anderen Religionen  logischerweise ausschließen müsse.

Das Verhältnis von Staat und Religion, wie es sich Rousseau erdachte, ist einfach zu verstehen. Das 8. Kapitel des "Contrat sozial" handelt von der "bürgerlichen Religion". Und Rousseau weist schlüssig nach, daß die katholische Kirche und die Staatsräson wie auch die "bürgerliche Religion" nicht zu vereinbaren sind. "Wer sich aber zu sagen erdreistet; außer der Kirche gibt es kein Heil, der muß aus dem Staate verwiesen werden, wofern nicht der Staat die Kirche, und der Fürst der Hohepriester wäre."

Auch wer seine Kinder beschneiden läßt, muß konsequent aus dem Staate verwiesen werden. Die Beschneidung, die ja heute unter örtlicher Betäubung stattfindet und nur von ausgebildeten Behandlern durchgeführt werden darf, die, wie der inkriminierte "Klaps" keine gesundheitlichen Schäden hervorruft - schlimmstenfalls aber auch keine gesundheitlichen Vorzüge hat - darf in Wahrheit nicht sein, weil diese "archaische Operation" der "bürgerlichen Religion" widerspricht. Daß die Hohepriesterin der bürgerlichen Religion Necla Kelek da Beifall klatscht, wundert mich nicht.


3 Kommentare:

  1. Komisch finde ich allerdings schon immer die Berufung auf den Volutée generale.
    Ich meine, wenn wie im verlinkten Artikel festgestellt 80% der Bevölkerung der Ansicht sind, ein Ohrfeige im Affekt oder ein Klaps sei gut, dann ist das doch der Voluntée generale und nicht die paar kinderlosen Hanseln die im grün-roten Wolkenkuckucksheim leben.
    Soweit ich weiß, musste schon das alternativpädagogsiche Experiment "grüne Wolke" abgebrochen werden, weil es nicht funktioniert hat. Und der Erfinder der alternativen, gewaltfreien Erziehung hat in der Praxis auch anders gehandelt, als er sich das ausgedacht hat.

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  2. Es macht mir Mut, dass wir heute in der heiligen Messe in der ersten Lesung aus der Apostelgeschichte hörten, wie Petrus von einem Engel des Herrn aus dem Gefängnis befreit wurde. Gott erhörte die Gebete der Gemeinde und schickte den Engel ...
    In der Predigt hörten wir, dass ein SED-Politbüromitglied nach der Wende sagte "Wir waren auf alles vorbereitet - nur nicht auf Kerzen und Gebete".
    Vertrauen wir also auf unsere Gebete, das ist unsere stärkste Waffe, um die Grünen Hippies in den Orkus der Geschichte zu spülen ....

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  3. Danke für den Hinweis auf den Broder-Artikel. Ich habe den Eindruck, daß im katholischen Bereich unterschiedliche jüdische Lebensereignisse vermischt werden.
    8. Tag nach der Geburt: Beschneidung des Jungen
    30. Tag nach der Geburt eines erstgeborenen Knaben: Auslösung des Erstgeborenen (Pidjon haBen)
    40. Tag nach der Geburt eines Jungen: Die Mutter geht in die Mikwe (rituelles Tauchbad) - "als die Tage ihrer Reinigung gekommen waren"

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