Sonntag, 12. Oktober 2014

Ein (vor)letztes Wort zum "Burkaverbot"

Christliche Frauentracht: Kirchentracht, Haube, Schapel.



Die Juristerei gilt ja gemeinhin nicht als Wissenschaft. Juristen sind nämlich mit Vorläufigem zufrieden. Hat das höchste Gericht entschieden, lohnt die Debatte kaum noch. Roma locuta, causa finita. Ich bins zufrieden. Und meistens sind die höchstrichterlichen Entscheidungen gar nicht so schlecht, besser zumeist als der häufig reichlich geist- und kenntnisfreie von Ideologismen durchseuchte sogenannte "öffentliche Diskurs". Das gilt auch für die unsägliche "Kopftuchdebatte". Die Burka-Diskussion ist davon nur die verschärfte Form.

Zur Frage des Kopftuch- oder Hijab-Verbots haben nun die zwei höchsten Gerichte, das Bundesverfassungsgericht  schon vor längerem und der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht vor kurzem höchstrichterliche Entscheidungen veröffentlicht.

In der Entscheidung des BVerfG ging es um eine junge afghanische Lehrerin, die darauf bestand, auch während des Unterrichts ein Kopftuch zu tragen. Dies wurde ihr von der Unterrichtsverwaltung untersagt, im Kern wegen der "negativen Bekenntnisfreiheit" der Schüler, das BVerfG hat diese Entscheidung aufgehoben. Das BVerfG hat dabei das Kopftuchverbot nicht generell für verfassungswidrig angesehen, sondern lediglich eine gesetzliche Regelung verlangt. Diese ist erfolgt, somit ist das Kopftuchverbot in bestimmten Fällen rechtmäßig. Letztlich hat die betroffene junge Lehrerin ihr Ziel also nicht erreicht.

Der EGMR hat das französische Burka- und Niqabverbot bestätigt.

In beiden Fällen haben BVerfG und EGMR klargestellt, daß das Tragen eines Kopftuchs - selbst das Tragen eines Niqab, der nur noch Augenschlitze freiläßt - Ausdruck eines religiösen Bekenntnisses sein kann, das der Trägerin nicht ohne weiteres abgesprochen werden darf. Gleichwohl könne eine Abwägung der Interessen der Kopftuchträgerin mit den öffentlichen Interessen ergeben, daß ein Kopftuchverbot - oder eine Niqabverbot - verhältnismäßig und damit verfassungsgemäß sei.

Über die feministische These, das Tragen eines Kopftuchs sei gar keine Form der religiösen Bekundung, sondern vielmehr Ausdruck der Missachtung der Frauenrechte, hat das BVerfG ebensowenig diskutiert, wie der EGMR. Nicht jeder Nonsens, der in der Öffentlichkeit gewaltige Schaumwellen erzeugt, ist vor Gericht diskutierenswürdig. Diese These ist in beiden Verfahren noch nicht einmal von den Beteiligten vorgetragen worden. Einfach zu blöd, und Punktum.

Nach Auffassung des EGMR kann auch das Tragen eines Niqab Ausdruck einer religiösen Überzeugung sein, die damit schutzwürdig ist. Dennoch könne das Verbot des Niqab rechtmäßig sein, wenn das Tragen des Niqab als eine Mißachtung der "minimum requirements of life in society" angesehen verstanden wird. Damit mißachte die Niqab-Trägerin gleichzeitig die "Rechte und die Freiheit anderer."

Das Niqab-Verbot widerspricht nach Auffassung des EGMR nicht der Garantie der freien und vor allem öffentlichen Religionsausübung, Diese ist nämlich nicht ohne Schranken.

Man sollte also in der Debatte zwei Fehler vermeiden: zu bestreiten, daß die Trägerinnen von Kopftuch und Niqab von ihrem Recht auf öffentliche Bekundung ihrer religiösen Überzeugung Gebrauch machen und somit grundsätzlich den Schutz der eigenen religiösen Überzeugung in Anspruch nehmen dürfen.

Die Verfassungsgerichte haben in beiden Entscheidungen die laizistische Auffassung abgetan, daß sich Religionsfreiheit lediglich auf die "innere Religionsfreiheit" etwa in Form des "Freedom of worship" beziehe. Insbesondere der EGMR lehnt die Theorie des "religiösen Existenzminimums" ab, das nur noch ein Katakombenchristentum, notabene einen Hinterhofislam zuläßt. Vielmehr umfaßt die Religionsfreiheit im Sinne der EMRK auch die Freiheit, den eigenen Glauben in der Öffentlichkeit zu bekunden, für den eigenen Glauben zu werben, und den für das gesellschaftliche Leben aufgestellten Regeln des Glaubens zu folgen.

Der zweite Fehle besteht darin, zu glauben, daß dieses Recht schlechthin schrankenlos ist und auch aus Gründen der Sicherung des öffentlichen Friedens nicht eingeschränkt werden könne. Wir haben also auszuhalten, daß eine Frau durch das Tragen einer entsprechenden Kleidung sich als Muslima zeigt. Wir müssen es nicht aushalten, daß sie eine aggressiv wirkende Vermummung trägt, die als Ausdruck einer feindlichen Haltung verstanden werden kann. Wenn von der autochthonen Bevölkerung ein Niqab als eine Form der aggressiven Abgrenzung von der Gesellschaft angesehen wird, dann hat der Gesetzgeber das Recht, um der Wahrung des öffentlichen Friedens willen, diese Kleidung zu verbieten.

Ich halte die Entscheidung des EGMR für weise und gerecht. Sie bestätigt nämlich einerseits, daß jeder religiös denkende Mensch seine religiöse Überzeugung auch öffentlich zeigen darf, andererseits, daß ihm untersagt werden kann, dies in einer Weise zu tun, die von anderen als aggressiv und "befremdend" angesehen wird. Es gibt also keine "negative Religionsfreiheit", in der Form, daß eine zunehmend agnostische oder gar atheistische Gesellschaft verlangen kann, von jeglicher Äußerung religiöser Überzeugung verschont zu werden. Aber auch nicht jede Äußerung einer religiösen Überzeugung muß geduldet werden.

Zur Erinnerung: es ist noch nicht lange her, daß sich auch christliche Frauen in der Öffentlichkeit niemals ohne Kopfbedeckung zeigten, und daß man Frauen die sich auf der Straße offene Haare trugen, fast als Prostituierte ansah. Es ist auch noch nicht lange her, daß das Tragen eines Kopftuchs zumindest im Gottesdienst einer katholischen Kirche sogar als Pflicht verstanden wurde, übrigens theologisch sehr gut begründet. Und welche Braut geht denn schon ohne Schleier zum Traualtar, auch wenn die meisten nicht wissen, daß sie brav dem Gebot des Apostels Paulus (1.Korinther, 11,5) folgen und "um der Engel willen"?

Nicht zu vergessen ist aber auch, daß Europa mehrere Wellen einer aggressiven "Déchristianisation" durchlitten hat. In Folge der französischen Revolution wurden selbst Ordensangehörigen verboten, ihr Habit zu tragen, Zuwiderhandlungen wurden mit dem Tode bestraft. Danach folgte der Kulturkampf, der übrigens nicht nur das Deutsche Reich, sondern ganz Europa umfasste, danach die atheistischen Attacken freimaurerisch inspirierter laizistischer Regierungen vor allem in West- und Südeuropa, danach der massenmörderische Atheismus der Kommunisten und Nazis.

Das Grundgesetz wie auch die Europäische Menschenrechtskonvention zogen die Lehren aus der Geschichte. Der radikale Laizismus, der vor allem in der französischen Tradition steht, entspricht nicht der modernen, gewissermaßen im Feuer geläuterten Rechtstradition Europas. Ein falschverstandener Liberalismus aber auch nicht.

Das Gemälde von Hans Holbein dem Jüngeren zeigt die noch sehr lange üblichen Kopfbekleidungen christlicher Frauen. Die ältere Frau im Hintergrund - mutmaßlich die verstorbene erste Frau des Auftraggebers - trägt die strenge Kirchentracht, die mit Kinnbinde und Kopftuch nur noch Augen und Mund freiläßt, die Frau im Vordergrund die "Haube" verheirateter Frauen, daß Mädchen im Vordergrund das Schapel. 

Montag, 29. September 2014

Zum Fest des Heiligen Erzengels Michael: ein Lied, aber bitte in latein.


Interessant fand ich an diesem Blatt, daß "in der Spinnstube" also bei den "einfachen" Leuten das Lied in der Regel in latein gesungen wurde, weil es "allen bekannt war", nicht weil alle die Übersetzung kannten. Eine ausführliche Beschreibung des Liedes mit Kommentar und vollständigem Text findet sich hier.

Donnerstag, 29. Mai 2014

Mariengarten: lilium inter spinas

Lilium inter spinas
Sehr viele Dornen, an Centifolien sind alle Zweige geradezu mit einer Haut von Dornen überzogen.

Mittwoch, 28. Mai 2014

Marienmonat Mai

Mariengarten, Centifolie, 28.5.2014
Am Ende des Marienmonats beginnen die Rosen zu blühen.

Der Mariengarten findet sich hinter unserem Pfarrhaus.

Dienstag, 27. Mai 2014

Europawahlen: Lechts und rinks

Wie - so frage ich mich in solchen Momenten stets - hätte wohl G.K. Chesterton, notabene Hilaire Belloc - zusammengefaßt also Chesterbelloc - das Ergebnis der Europawahlen kommentiert?

In einer fiktiven Zeitung des Chesterbellocism häte man ganz gewiß nicht die Schlagzeile gelesen, daß "die Rechten" die Wahlen gewonnen haben. Denn - siehe den Wahlsieg der unverblümt linkskommunistischen Syriza in Griechenland - auch die "Linken" haben natürlich die Wahl gewonnen. Die Rechten haben sie natürlich nicht gewonnen, denn unter diesen Rechten - siehe das Wahlprogramm der FN - finden sich reichlich Linksrechte oder auch Rechtslinke, die ein dezidiert linkspaternalistisches Programm verfechten, von der Neugewinnung der Macht eines nationalen Staates, der sich gefälligst sein eigenes Geld druckt, bis zu den sattsam bekannten und regelmäßig gescheiterten "Beschäftigungsprogrammen", die ja eigentlich Entschäftigungsprogramme heißen müßten.

Der "konservative" Kandidat der moderaten "Rechten", Jean Claude Juncker, war in Wahrheit seinem "progressiven" Gegenkandidaten so verwechselbar ähnlich, daß die Namen der Kandidaten von böszüngigen Menschen, zu denen ich mich unbedingt zähle, zu Julz oder Schuncker verballhornt wurden. In Wahrheit war doch die ganz ganz ganz große Koalition angetreten, bestehend aus  den Linkskonservativen, den Linksliberalen, den Linksgrünen, den Linkssozialdemokraten, den Linkssozialisten auf der einen gegen die Rechtslinkskonservativen, die Linksrechtsnationalisten. die Rechtslinksliberalen und Linkslinkslinken.

Wie hätte Chesterton diesen Wahlkampf oder dieses Wahlergebnis kommentiert? Schwierig zu sagen, denn die von Chesterton entworfenen literarischen Figuren Hudge (der Linksproletarianist) und Gudge (der Rrchtsproletarianist) unterschieden sich ja immerhin in Programmatik und Rhetorik, was man von Julz und Schuncker nun gewiß nicht sagen kann. Wahrscheinlich könnten die beiden selbst nicht erklären, warum sie sich selbst, und nicht den anderen wählen würden.

Doch das ganze ist eigentlich nur die Kulmination einer Angleichung der sozialistischen Linksrechten und sozialkapitalistischen Rechtslinken, die schon vor mehr als hundert Jahren, als Chesterton sein "What´s wrong" (1910) schrieb, mehr miteinander zu tun hatten, als sie sich selbst bewußt machten. Nur das Gudge ein bißchen umgänglicher geworden ist, und schon längst die Segnungen des welfare state als die Voraussetzung seiner eigenen Wohlfahrt erkannt hat.

Stellen wir uns Hudge and Gudge in den Worten Chestertons kurz vor:
There is, let us say, a certain filthy rookery in Hoxton, dripping with disease and honeycombed with crime and promiscuity. There are, let us say, two noble and courageous young men, of pure intentions and (if you prefer it) noble birth; let us call them Hudge and Gudge. Hudge, let us say, is of a bustling sort; he points out that the people must at all costs be got out of this den; he subscribes and collects money, but he finds (despite the large financial interests of the Hudges) that the thing will have to be done on the cheap if it is to be done on the spot. He therefore, runs up a row of tall bare tenements like beehives; and soon has all the poor people bundled into their little brick cells, which are certainly better than their old quarters, in so far as they are weather proof, well ventilated and supplied with clean water. But Gudge has a more delicate nature. He feels a nameless something lacking in the little brick boxes; he raises numberless objections; he even assails the celebrated Hudge Report, with the Gudge Minority Report; and by the end of a year or so has come to telling Hudge heatedly that the people were much happier where they were before. As the people preserve in both places precisely the same air of dazed amiability, it is very difficult to find out which is right. But at least one might safely say that no people ever liked stench or starvation as such, but only some peculiar pleasures entangled with them. Not so feels the sensitive Gudge. Long before the final quarrel (Hudge v. Gudge and Another), Gudge has succeeded in persuading himself that slums and stinks are really very nice things; that the habit of sleeping fourteen in a room is what has made our England great; and that the smell of open drains is absolutely essential to the rearing of a viking breed. 
But, meanwhile, has there been no degeneration in Hudge? Alas, I fear there has. Those maniacally ugly buildings which he originally put up as unpretentious sheds barely to shelter human life, grow every day more and more lovely to his deluded eye. Things he would never have dreamed of defending, except as crude necessities, things like common kitchens or infamous asbestos stoves, begin to shine quite sacredly before him, merely because they reflect the wrath of Gudge. He maintains, with the aid of eager little books by Socialists, that man is really happier in a hive than in a house. The practical difficulty of keeping total strangers out of your bedroom he describes as Brotherhood; and the necessity for climbing twenty-three flights of cold stone stairs, I dare say he calls Effort. The net result of their philanthropic adventure is this: that one has come to defending indefensible slums and still more indefensible slum-landlords, while the other has come to treating as divine the sheds and pipes which he only meant as desperate. Gudge is now a corrupt and apoplectic old Tory in the Carlton Club; if you mention poverty to him he roars at you in a thick, hoarse voice something that is conjectured to be "Do 'em good!" Nor is Hudge more happy; for he is a lean vegetarian with a gray, pointed beard and an unnaturally easy smile, who goes about telling everybody that at last we shall all sleep in one universal bedroom; and he lives in a Garden City, like one forgotten of God.
Bleibt die spannende Frage, wie Chesterbelloc denn gewählt hätten, hätte man sie unglücklicherweise in unser heutiges Zeitalter verbannt. Die ist nun nicht zu beantworten. Leicht zu beantworten wäre die Frage, was Chesterbelloc nicht gewählt hätten. Weder Hudge noch Gudge, womit denn Sozialisten, Kommunisten, aber auch Christdemokraten, Konservative und und Linksliberale ausscheiden aus der engeren Wahl. Hilaire Belloc war nun Mitglied und Parlamentarier der Liberal Party, als diese noch eher die Gestalt der alten Whig-Party als die der heutigen sozialliberalen LD hatte. Von den heutigen Sozialliberalen hätte sich Belloc mit Grausen abgewandt.

Chesterton und Belloc wären wohl am vergangen Donnerstag, als in Great Britain gewählt wurde, zu Hause geblieben.

Sonntag, 18. Mai 2014

Der Anteil des Atheismus an der Affenwerdung des Menschen

heute mal wieder ein kurzer blick auf die homepage der finsternuß, der giordano bruno stiftung   getan (bitte stets - revolution is permanent - in radikaler kleinschreibung zu schreiben).

die gbs - die ansonsten eher für ihr engagement für das menschrecht auf abtreibung sowie das menschenrecht auf selbstmord bekannt ist - ist in wahrheit eine organisation, die sich wie keine andere für die universalität der menschenrechte einsetzt. menschenrechte für "menschenaffen" ist zur zeit das thema des militanten atheismus.

logo, oder nicht? wer glaubt, daß sich die menschliche rasse nur durch ihre fähigkeit zum raisonieren von der äffischen unterscheidet, und nicht durch den besitz des freien willens, die fähigkeit zur sozialen organisation und den sensus religiosus wird es auch logisch finden, "menschenaffen" "menschenrechte" in der billigversion zuzugestehen, die bei atheisten als solche gehandelt werden.

so heißt es denn auch bei der gbs, daß ausgerechnet herr singer, der "bewiesen" hat, daß der freie wille eine fiktion ist, "überzeugend" nachgewiesen hat, daß sich "menschenaffen" und menschen nicht so fundamental unterscheiden, daß die reservierung von menschenrechten für menschen zu rechtfertigen ist.

wer den menschen - wie herr singer - als hochkomplexe maschine ohne spontanität ansieht, wird das nachvollziehbar finden.

Dienstag, 13. Mai 2014

Das ist nicht wurst: der European Song Contest als hate session.


Trocken nordisch analysiert, läßt sich der Sieg der Wurst bei dem European Song Contest recht einfach erklären.

Conchita verfügt über eine bemerkenswert kraftvolle, warme Stimme und hat offenkundig eine professionelle Gesangsausbildung absolviert. Wer genau hinhört, wird feststellen, daß schon Conchitas Gesangsstil reine Travestie ist. Vor wenigen Jahren trat die Wurst noch als Tom Goldfinger auf. Conchita imitierte die Sängerin des Titelsongs von Goldfinger, Shirley Bassey, sie beherrscht diese Technik fast perfekt, wie hier zu hören ist.

Der Song ist Dutzendware. Es handelt sich bei "Rise like a Phoenix" offenhörlich um die Filmmusik zu einem imaginären James-Bond-Film. Folgerichtig für einen Mann, der sich als Wiedergeburt von Shirley Bassey sieht. Bond-Titel-Songs sind stets nach einem einfachen Strickmuster gewirkt, teilweise sind die Bond-Titel nach der Methode des cut and paste zusammengeschustert, die Urheberrechtsstreitigkeiten um die Bond-Musiken sind jedem musikhistorisch Interessierten bekannt.

Um aus dem Einheitsbrei des Irgendwie-schon-mal-Gehörten herauszustechen, bedurfte es, wie Politiker es nennen würden - und Conchita denkt politisch - eines Alleinstellungsmerkmals. Auch der Auftritt als Transe hätte da nicht genügt, denn Transen sind nicht zum ersten Mal bei ESC-Wettbewerben aufgetreten.

Dieses Alleinstellungsmerkmal war zum ersten die Präsentation einer doppelten Perversion. Ein Mann, der singt wie eine Frau (Shirley Bassey), der sich kleidet wie eine Frau, aber einen Bart trägt wie ein Mann. Einzigartig. Werbetechnisch perfekt.

Zum zweiten war es die Selbstinszenierung als Rächerin der Unterdrückten, der angeblich diskriminierten Schwulen und Lesben, Conchita lieferte die perfekte melodramatische Inszenierung des verlogenen Betroffenheitskults der angeblich Benachteiligten, die in Wahrheit die Unterstützung des Juste Milieu genießen.

Zum dritten war es offenkundig massive politische Einflußnahme. Conchita mußte sich in Österreich keiner Auswahl stellen. Sie wurde durch das ORF ohne Wettbewerb ausgewählt, eine späte Folge der etatistischen Konstruktion des ESC, der seit seiner Gründung im Jahre 1951 als Grand Prix Eurovision de la Chanson von den staatlichen "Landesrundfunkanstalten" dominiert wird, den Staatssendern also. Denen ist es selbst überlassen, wie sie ihre Kandidaten auswählen. Der ORF entschied sich erstmals seit 1951 für eine schlichte Benennung. Angesichts der unübersehbaren politischen Dimension der Kandidatur ein kultureller coup d`état.

Zum vierten wurde Die Wurst durch den politisch-medialen Komplex massiv aufgebaut. Keine Zeitung, keine Zeitschrift, kein Sender, der nicht im Vorfeld über die bizarre Kandidatin berichtete, über ihren Mut, über ihren Symbolwert als Ikone von "Akzeptanz" (die Phase der bloßen Toleranz ist medial eindeutig überwunden), Frieden und Freiheit.

Zum fünften hätte der Wurst nichts Besseres passieren können, als der Konflikt zwischen der EU und Rußland über die Ukraine. Jetzt war sie auch noch das Symbol des "freien, toleranten Westens" gegen das "homophobe, autoriäre und imperialistische" Rußland. Wer sich die Show reingezogen hat, wer die Kommentare der Moderatoren gehört hat, die Buh-Rufe oder Beifallskundgebungen der Meute (ich lehne es ab, hier einfach von Zuhörern zu sprechen) wird den kriegerischen Unterton nicht überhört haben.

Die Voten aus dem katholischen Irland, dem katholischen Polen und dem orthodoxen Rußland wurden durch den ARD-Moderator mit hörbarem "Aha"aufmerksam registriert, so als ginge es um einen Fortschrittsbericht hinsichtlich der Déchristianisation des europäischen Kontinents. Der Pöbel - wie soll man ihn anders nennen - buhte bei jedem Votum für die beiden russischen Mädels, denen nun ja im Gegensatz zur Wurst gerade keine politische Parteinahme vorzuhalten war.

Abgesehen von der aggressiven kulturellen, religiösen und politischen Zielrichtung dieser Bewerbung gruselt mich die Namenswahl noch in besonderer Weise. Die Bedeutung des Namens Conchita dürfte auch einem nur angeblichen Südamerikaner bekannt sein. Der Vorname leitet sich ab von Concepción, dem Fest der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau und Gottesmutter Maria am 8. Dez. Daß eine Person die aggressiv die Agenda der lesbischwulen Community vertritt, sich einen Vornamen gibt,  der auf ein hochkatholisches Fest, vielleicht das hochkatholischste und mit Sicherheit umstrittenste Fest der Kirche hinweist, halte ich für eine bewußte Provokation.

Daß Wurst auf Hanswurst anspielt, wird Tom Goldfinger vielleicht nicht bekannt sein. Aber wir sind ja nicht nur für unser bewußtes Handeln verantwortlich, sondern - seit Freud - auch für unser unbewußtes. Hanswurst ist wie sein Vetter Harlekin eine diabolische Theaterfigur. Sie repräsentiert den Widerspruch gegen die Ordnung. In Karnevalsspielen steht sie für das karnevalistische Thema der civitas diaboli. Man kann sich den Hanswurst wie den Harlekin durchaus mit Hörnern vorstellen wie eine andere Figur der commedia dell´arte, die Colombina diavolo. Der Hanswurst war in der Zeit seiner Entstehung keineswegs das harmlose Kasperle, das sich auf den Hanswurst bezieht, der Hanswurst ist Teil des Dualismus des Guten und des Bösen, der das mittelalterliche Theater und den Karneval beherrscht. Im Zuge der Theaterreform der Aufklärung verschwand diese Figur, das diabolisch-anarchische an dieser Figur war den Theaterreformern ein Dorn im Auge, das kleine Teufelchen mutierte zum lieben Kasper oder behielt seinen mörderischen Charakter in der englischen Punch and Judy Show.

Das feuerrote Bühnenbild habe ich nicht als Phönix erkannt, sondern als die Schwingen des Roten Drachen, aber das ist möglicherweise ja mein Problem.

Ich hatte am Samstag abend spät in der Nacht, nicht den Eindruck, einem Song-Contest beigewohnt zu haben, sondern einer hate-session.

Mittwoch, 16. April 2014

Vom Recht auf das rechte Maß

Johann ohne Land unterzeichnet die 12 Kopien der Magna Charta

Als Katalog der "Menschenrechte" wird die Magna Charta im Allgemeinen mißverstanden.  Doch das Programm der Charta ist viel weiter gespannt. Sie enthält unter Ziffer 35 unter anderem das Recht auf ein einheitliches Maßsystem für das gesamte Königreich.
"Una mensura Vini sit per totum regnum nostrum, et una mensione cervisie, et una mensura bladi, scilicet quarterium Londoniense, et una latitudo pannorum tinctorum et russetorum et halbergetorum, scilicet due ulne infra listasde ponderibus sit autem sit ut de mensuris."
" Es soll im ganzen Königreich ein einheitliches Maß für Wein, Bier und Korn geben, nämlich das Quart von London, außerdem ein einheitliches Maß für gefärbten Stoff, sowohl für rotgefärbten als auch für mehrfarbigen, nämlich zwei Ellen zwischen den Webkanten. Gewichte sollen in gleicher Weise vereinheitlicht werden."
Mit dem einheitlichen Maß für Wein ist die gallon gemeint, gemessen nach einem zylindrischen Gefäß mit einer Höhe von 6 und einem Durchmesser von 7 inch, später vereinheitlicht zu 231 Cubikinch. Die Doppelelle war das übliche Maß für mittelalterliche Webstühle. Sie entsprach einem Yard = drei Fuß = 2 Cubit.

Die Vereinheitlichung der Maße war eine wesentliche Erleichterung für den Handel innerhalb des Königreichs. Noch immer ist diesem System, was seine weltweite Verbreitung angeht, dem metrischen in der praktischen Anwendung weit überlegen. Das Maß unserer Kreditkarten, EC-Karten, der neuen Persos und Führerscheine beträgt 3 3/8 mal 2 1/8 inch. Das wichtigste Vehikel des internationalen Handels, der Container, mißt 40 X 8 Fuß. Der Ölhandel mißt nach wie vor im alten Wein-Maß der Magna Charta nämlich mit der Maßeinheit Barrel = 42 Gallons = 336 pint = 9702 cubic inch.

Mit der Gallon rechnete also schon unser verehrter Erzbischof von Canterbury Kardinal Stephen Langton, der als Hauptverfasser der Magna Charta gilt. Und ganz nebenbei eine der schönsten Sequenzen gedichtet hat, die wir kennen, die Pfingstsequenz.

Von ihm können wir lernen, daß das rechte Maß ebenso wichtig ist wie die Unschuldsvermutung des Strafrechts (die ist in Artikel 39 der Charta geregelt).

Donnerstag, 10. April 2014

Kleiner historisch-militärisch-musikalischer Beitrag zur Ukraine-Krise


Vor allem wegen "Ein Haus voll Glorie schauet" hab ich dieses Musikstück schon mal gepostet. Natürlich mit dem Original text.

Heute noch mal als kleinen Erinnerungsmerkzettel. Die Musiker tragen die Uniformen des Husaren-Regiments "Kaiser Nikolaus der II. von Russland". Kaiser Nikolaus war der letzte Zar des russischen Reiches, den die Kommunisten mit seiner gesamten Familie brutal ermordeten, und der von der orthodoxen Kirche gemeinsam mit seiner aus Hessen-Darmstadt stammenden Frau als Märtyrer und Heiliger verehrt wird.

Das Regiment war Symbol der alten preußisch-russischen Verbindung, die noch auf die Befreiungskriege zurückgeht, und die von den alten Preußen so zäh aber erfolglos verteidigt wurde. Das Zerbrechen dieser Allianz - dritter im Bunde war Österreich, war eine der Ursachen der Katastrophe des Ersten Weltkrieges..

Nein, ich bin kein Wessie. Die "Familie der freien Völker der westlichen Welt" habe ich die meiste Zeit meines Lebens als Bande von Dieben und Mördern angesehen. 

Mittwoch, 9. April 2014

Aufkläricht: über die Verschlimmbesserung der Welt. Die metrische Misere

Leonardo Da Vinci: Der Vitruvianische Mann
Mein Spezialgebiet im Philosophiestudium war die Geschichtsphilosophie. Nichts Ungewöhnliches für einen Jung-Marxianer. "Wir Kommunisten kennen nur eine einzige Wissenschaft: die Wissenschaft der Geschichte". (Karl Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3,18). Monatelang studierten wir sozialrevolutionären Schüler in der Juso-Baracke am Ostbahnhof dieses Werk. Die sogenannten Marxschen Frühschriften waren absolut angesagt in den Jahren 1967 ff.

Fatalistischer Optimismus würde ich die Geschichtsauffassung des Histomat heute nennen. Die Welt stürzte nicht mehr auf Armaggedon zu, nein, la classe ouvrière va au paradis. Diese Ideologie, der Glaube also an die naturnotwendige Besserwerdung der menschlichen Gesellschaft, ist tief eingesunken.

Wie tief der Glaube an die himmelhohe Überlegenheit der Neuzeit ist, läßt sich mit kleinen Eyperimenten bestätigen. So ist der Glaube, daß die Vor-Neuzeitler der festen Überzeugung waren, der Erde sei eine Scheibe, praktisch unausrottbar.

Tatsächlich ist dieser für den politisch-theologischen Religionsersatz des Progressismus typische Unfug soweit daneben wie daneben nur sein kann. Die Antike wußte nicht nur um die Kugelgestalt der Erde, man kannte auch Berechnungen der Größe dieser Kugel, und im dritten Jahrhundert vor Christus entwickelte der geniale Wissenschaftler Eratosthenes eine einfache Methode zur Berechnung des Erdumfangs mit erstaunlich präzisem Ergebnis. Von der Antike bis zur Neuzeit gab es keinen Wissenschaftler von Rang - und auch keinen Papst -, der der Überzeugung war, die Erde sei eine Scheibe.

Der Glaube an den Glauben an die tellerförmige Erde kam erst im Jahre 1830 auf, als kirchenfeindliche Schreiber in den Annalen zu wühlen begannen, um aus den Irrtümern christlicher Exoten eine angebliche kirchliche Lehre zusammenzuflicken die es nie gegeben hatte.

Der Glaube an die schlechthinnige Überlegenheit des Neuen, hat uns so manche Misere beschert. Eine ist die, die ich die metrische Misere nennen. An ihr läßt sich anschaulich nachvollziehen, welche Blüten die Vergötzung des "Wandels", je nach Sprache, des "Change", des "Changement", des "Aufbruchs" treibt.

Als die metrische Revolution, die das buchstäblich seit Jahrtausenden überkommene Maßsystem in Inch und Fuß, in Ellen und Digt ablösen sollte, über Festland-Europa kam, verschwand ein fünftausend Jahre altes Maßsystem, das sich nicht nur am menschlichen Maß orientierte, sondern darüber hinaus Zeit und Raum, Erde und Himmel, den Globus und die Himmelsmechanik in ein sinnvolles Verhältnis brachte.

Der Progressismus hatte den Akteuren der metrischen Revolution offenbar den Blick für den inneren Sinn des überkommenen Systems vernebelt. Auf den ersten Blick schien ihnen alte System zwar human, da es sich an Maßeinheiten orientiert, die uns umgeben, doch aufgrund seines mangelnden Reproduzierbarkeit für präzisere Messungen untauglich. Der Samen des Mohns (1/12 Zoll), Die Länge des Gerstenkorns (1/3 Zoll), die Breite eines Fingers (1 Digit), die Breite eines Daumens (1 Zoll), Die Breite einer Hand (1 Palm), die Länge eines Fußes (1 Fuß), die Länge eines Unterarms von Ellbogen bis zu Fingerspitze des Mittelfingers (1 Elle (cubit), die Breite zweier ausgebreiteter Arme (1Klafter, gleichzeitig die Durchschnittsgröße eines erwachsenen Mannes) all dies schien lediglich arbiträr, also für ein an wissenschaftlicher Präzision interessiertes Zeitalter überholt.

Die "Sophisters, economists and calculators"(Burke) die sich an die metrische Revolution machten waren allen Ernstes der Auffassung, daß sich die Maße für Elle, inch und Klafter an den körperlichen Dimensionen des jeweiligen Landesfürsten orientierten. Dabei hätte sie wissen können, daß sich das Maß für das antike "Urmeter", den cubit (Elle), über 5.000 Jahre bis heute nicht oder nur minimal verändert hatte. Das aus alter Zeit stammende angelsächsische Maß der Elle weicht von den altägyptischen Maßen um weniger als 1,4 % ab.

Es mußte also ein Kalibrierung gegeben haben, die heute unbekannt ist. Oder die man auch nicht sehen wollte. Mit ein paar Rechenkünsten  und Kenntnissen der ägyptischen Mythologie und Mathematik  läßt sich diese (mutmaßliche) Kalibrierung finden.

Zunächst: die Angaben über die Größe des Cubit sind nicht ganz eindeutig. Sie schwanken zwischen 0,450 und 0,463 Meter. Aus der Dimension des bekanntesten ägyptischen Gebäudes. der Cheops-Pyramide, läßt sich errechnen, daß die Größe eher bei über 0,460 m lag. Die Pyramide ist heute 230,33 m breit. Sie hat eindeutig durch Beschädigung und Erosion an Breite verloren. Nimmt man für den cubit den häufig angegebenen Wert von 0,463 (der Größe der attischen Elle, als des bedeutendsten Handelspartners der Ägypter), ergibt sich ein Betrag von 497, 473 cubit. Rechnet man einen Verlust durch Zerstörung und Erosion ein, so beträgt die wahrscheinliche Länge, mit der die Bauherren selbst rechneten - sie liebten große, runde Zahlen - bei 500 cubit. Zählt man die Längen aller vier Seiten der Pyramide zusammen, so ergibt sich präzise eine halbe nautische Meile, deren Maß in ägyptischen cubit genau 4.000 cubit beträgt (präzise gesagte, "kleinen" cubit). Zufall? Unwahrscheinlich.

An noch einem weiteren Bauwerk können wir unser Maß kalibrieren, dem Obelisk von Luxor, der heute auf der Place de la Concorde steht. Er ist nach Angaben in entsprechenden Dokumenten 23,165 m hoch, bei einem Cubit von 0,463 m wären das dann nahezu präzise 50 cubit. Der ägyptische Cubit wäre damit genau ein 4.000stel der Seemeile, damit wäre dann der Umfang der Erde 86.400.000 cubit.

Eine Zahl, bei der es bei jedem Navigator klingelt. Es handelt sich nämlich um das Produkt von 24 (Stunden) * 60 (Minuten) * 60 (Sekunden) * 1000. Der cubit wäre damit definiert als die Strecke, die ein Gegenstand auf Äquatorebene binnen einer 1000stel Sekunde zurücklegt.

Wer dann noch immer an Zufall glaubt, dem hilft vieleicht ein Blick in das "Amduat". die "Schrift der verborgenen Kammer". In dieser Schrift ist die Reise des Sonnengotts Re in der (jeder) Nacht beschrieben. Re legt in einer Stunde eine Strecke von 309 iteru zurück, in 12 Stunden somit eine Strecke von 3708 iteru = 74.160.000 meh (großen Ellen) = 86.520.000 cubit. Offenbar ein Ergebnis das der Rundung auf 309 zu verdanken ist, nimmt man die nächst kleinere Zahl ergibt sich 86.240.000.

Die ursprüngliche Definition des Meters - ein 10.000.000ster Teil eines Erdquadranten - ist schon 1799 faktisch aufgegeben worden, nachdem man feststellte, daß die Erde nicht die Form einer Kugel, sondern eher die einer Kartoffel hat. 1898 definierte man daher den Urmeter - ein arbiträres Maß also - zum Meter.

1960 wurde dann festgelegt:
Ein Meter ist das 1 650 763,73-fache der Wellenlänge der von Atomen des Nuklids 86Kr beim Übergang vom Zustand 5d5 zum Zustand 2p10 ausgesandten, sich im Vakuum ausbreitenden Strahlung.
Ganz toll, Jungs. Diese geniale Definition, die jeder Physikstudent, im 23. Semester, der zufällig in einem Großlabor arbeitet, ohne weiteres binnen weniger Wochen nachvollziehen kann, ist ebenfalls schon Geschichte.

Eratosthenes wird vor Lachen von seiner Wolke gefallen sein, als er diese verschwurbelte Definition gelesen hat.

Das Maß, mit dem Da Vinci gearbeitet hat, ist übrigens der cubit. Er ist auf einer Linie am untersten Rand seiner Zeichnung eingetrage. Ein Klafter = 4 cubit = 24 digit. (Und ein cubit natürlich ein 86.400.000stel des Erdumfangs, entsprechend 24 Stunden zu je 60 Minuten zu je 60 Sekunden nicht zu vergessen).