Kaum ein anderes Presseorgan hat so intensiv und penetrant und unterhalb der Gürtellinie den Güllekübel über dem Bischof von Limburg ausgegossen.
Mit einer Artikelserie des progressiven Liberalen Kubicki ereicht die Kampagne des Focus ihrem pseudointellektuellen Höhepunkt. Schon mehrfach hat der Advokat Kubicki sein Forum in dieser Sache genutzt. Und heute erklärt uns der progressistische Anwalt Kubicki "Warum der Staat die Zahlung an die Kirche stoppen muß."
Der Vorschlag, den Kubicki unterbreitet, ist uninteressant, weil er praktisch jede rechtliche wie auch historische Grundvoraussetzung ignoriert, interessant ist allenfalls daß der Jurist Kubicki an eine - rechts-, verfassungs-, und völkerrechtswidrige - entschädigungslose Enteignung der Kirchen denkt und ihr das Wort redet.
Kubicki ist ja möglicherweise als Strafverteidiger nicht gerade der Spezialist für komplizierte Verfassungs- und Völkerrechtsprobleme. Aber ich unterstelle ihm, daß er seine Zuhörer bewußt nur unvollständig informiert. Hier die Quintessenz des Focus-Artikels:
Eine Lösung (für die Abgeltung der sogenannten Dotationen) könnte ... die Einrichtung einer Kommission beim Bundesfinanzministerium sein, die einerseits in einer Art Eröffnungsbilanz die 1803 verstaatlichen Kirchengüter bewertet und anderseits die Summe der seitdem an die Kirchen geflossenen Entschädigungen ermittelt. Dabei sollte transparent, offen und für jeden nachvollziehbar dargelegt werden, welchen Wert die Kirchengüter damals hatten und wie viel an bisherigen Zahlungen geleistet wurden.
Eine Überprüfung dieser Zahlen durch sachverständige Dritte sollte selbstverständlich möglich sein. Am Ende dieses Prozess müsste der dann fällige Restbetrag abgelöst und somit der Auftrag aus dem Grundgesetz vollzogen werden. Dabei kann als Ergebnis auch herauskommen, dass mit den bisher geleisteten Zahlungen alles abgegolten ist. Die Steuerzahler haben es verdient, dass der Staat seiner im Grundgesetz verankerten Verpflichtung nachkommt und dieses Kapitel nun endlich abschließt.Daran stimmt so gut wie nichts.
1. Kubicki verschweigt, welche Rechtsgrundlage die heutigen Zahlungen an die Kirchen haben: die Konkordate, die die Kirchen im 20. Jahrhundert abgeschlossen haben. Das für die Katholische Kirche maßgebliche Konkordat ist das Reichskonkordat von 1933, sowie die vorausgegangenen preußischen, badischen und bayerischen Konkordate.. Auch das Reichs-Konkordat sieht wie die Weimarer Verfassung und das Grundgesetz die Ablösung der Dotationen in Artikel 18 vor:
Falls die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die katholische Kirche abgelöst werden sollten, wird vor der Ausarbeitung der für die Ablösung aufzustellenden Grundsätze rechtzeitig zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reich ein freundschaftliches Einvernehmen herbeigeführt werden. Zu den besonderen Rechtstiteln zählt auch das rechtsbegründete Herkommen. Die Ablösung muß den Ablösungsberechtigten einen angemessenen Ausgleich für den Wegfall der bisherigen staatlichen Leistungen gewähren.Festzuhalten ist dabei zweierlei: eine Ablösung setzt ein "freundschaftliches Einvernehmen" voraus und die Ablösung muß dem Ablöseberechtigten (der Kirche) einen angemessenen Ausgleich für den Wegfall der bisherigen staatlichen Leistungen gewähren. Damit ist ein entschädigungsloser Wegfall der Zahlungen ausgeschlossen.
2. Es kann nicht darum gehen "welchen Wert die Kirchengüter damals hatten", sondern, wenn man schon von einer Enteignung ausgeht, darum, welchen Wert sie heute haben. Der Anspruch der Kirche ginge, legt man die heutigen Maßstäbe des Eigentumsschutzes von Verfassungs wegen zugrunde, auf Restitution ihres Eigentums.
3. Die Zahlungen an die Kirchen nach dem Reichsdeputationshauptschluß hatten gerade keine Entschädigungsfunktion, sondern sollten lediglich die wegfallenden Erträge aus dem enteigneten Vermögen ausgleichen. Die Staaten zahlten also nur die "Zinsen". Die Kirche war vor der Enteignung wirtschaftlich autonom, konnte also ihren Finanzbedarf, die Besoldung ihres Personals wie die Unterhaltung ihrer Einrichtungen aus den Erträgen des eigenen Vermögens bestreiten.
4. Gegenüberzustellen ist damit betriebswirtschaftlich nicht der "damalige" Wert der enteigneten Kirchengüter, sondern ihr heutiger Wert und ihr Ertrag über mehrere Jahrhunderte. Nur dieser Ertrag wäre mit den geleisteten Zahlungen der Staaten finanzmathematisch auszugleichen, ein betriebswirtschaftlich praktisch aussichtsloses Unternehmen. Mit einem Überschuß, der als Tilgung zu verstehen wäre, von dem Kubicki ausgeht, ist in keinem Fall zu rechnen.
5. Die Zahlungen der Staaten reichten nämlich bereits im Lauf des 19. Jahrhunderts nicht mehr aus, um auch nur den laufenden Finanzbedarf der Kirchen sicherzustellen. Die Einführung der Kirchensteuer wurde notwendig, weil die Staaten ihre Zusagen nicht einhalten konnten oder wollten. Die Kirchensteuer wurde unter dem Protest der Kirchen eingeführt, die darauf hinweisen konnten, daß sie ja schon einmal bezahlt hatten, nämlich mit der Enteignung ihres gesamten Vermögens. Die Gläubigen wurde mit der Einführung der Kirchensteuer zum zweiten Mal zur Kasse gebeten.
6. Dieser Vorgang legt nahe, daß nicht einmal die wegfallenden Erträge ausgeglichen wurden. Von einer "Tilgung" des Werts des enteigneten Vermögens ist schon gar nicht auszugehen, das von Kubicki ersonnene Rechenexempel ist betriebswirtschaftlich nicht nur kaum durchführbar, sondern völlig überflüssig, weil das Ergebnis schon feststeht.
7. Art 138 WRV, der die Ablösung der Dotationen fordert, ist nie umgesetzt worden. Die Schwierigkeiten, die mit der Umsetzung verbunden wären, werden in der Rechtsprechung und Kommentierung vorwiegend als unlösbar angesehen. Eine entschädigungslose Einstellung der Zahlungen legt Art. 138 WRV nicht nahe. Nach Art. 138 sollte im übrigen nicht nur die Enteignung 1803 sondern auch diverse altrechtliche Verpflichtungen abgelöst werden, die zum Teil noch aus der Zeit der Reformation stammten. Ein sinn- und aussichtsloses Unternehmen.
8. Das Reichskonkordat hat, wie das BVerfG in mehreren Entscheidungen festgestellt hat, auch für die Bundesrepublik Geltung. Für die evangelischen Landeskirchen findet das Konkordat im übrigen entsprechend Anwendung. Die Verhandlungsparteien der Konkordate waren sich sehr wohl dessen bewußt, daß man besser von Entschädigung gar nicht erst reden sollte. Diese zu bemessen, hätte endlose und fruchtlose Ermittlungen und ebenso endlose Streitigkeiten provoziert.
9. Die Ablösung nach Maßgabe der einzig praktiblen Regelung, nämlich der des Konkordats, ist ein einfaches finanzmathemathisches Rechenexempel, bei dem die einzige Komplikation darin besteht, sich auf einen Zinssatz für die Ablösung einer zeitlich nicht befristeten Staatsleistung zu einigen. Finanzmathematisch ist dies nahezu banal. Es bedarf nur einer einzigen Zahl: Wie hoch sollte ein Kapitalbetrag verzinst sein, der zur Ablösung der Staatsleistung dient. Einigt man sich auf 3 Prozent, ist der 33fache Betrag zu zahlen. Rechnet man mit höheren Renditen, ist der Betrag geringer. In der Diskussion ist der Faktor 25. Macht 12 Milliarden Euro. Dies sind gerade einmal 2 Prozent der jährlichen Steuereinnahmen, keine unerschwingliche Summe.
Aber Kubicki geht es um etwas anderes. Wieder einmal soll suggeriert werden, daß sich die Kirche auch auf Kosten der Kirchenfernen "bereichert". Ein klassisches Thema, so recht nach dem Geschmack der Kulturkämpfer, deren Speerspitze schließlich nicht etwa der in diesem Zusammenhang teilweise zu unrecht gescholtene Bismarck war, sondern die Deutsche Fortschrittspartei, auf deren Tradition sich die FDP beruft. Nicht Bismarck, sondern der Polenhasser und Katholikenfresser Prof. Dr. Virchow, der - typisch Pathologe - den polnischen Katholizismus für eine Art auszumerzende Krankheit hielt, hat den Begriff des Kulturkampfes geprägt.
Der Kulturkampf führte im übrigen zu einer weiteren, im Sinne der Verfassung des Reiches und der Länder verfassungswidrigen Enteignung der Kirche.
Der liberale Herr hat also einen weiteren, den dritten Verfassungsbruch zu Lasten der Kirche im Sinne. Wie überhaupt die Liberalen den angemaßten Artikel einer "Verfassungspartei" völlig zu unrecht tragen. Den deutschen Liberalen sei angeraten, sich mit ihren Leichen im Keller auseinanderzusetzen, zu denen nicht nur der Kulturkampf, sondern auch der Annexionismus des hochverehrten Herr Naumann, sowie die Zustimmung zu Hitlers Ermächtigungsgesetz gehört. Reue und Einsicht, sowie die Bereitschaft hinfort nicht mehr zu sündigen, stünde den Liberalen, auch einem Herrn Kubicki, gut zu Gesicht. Andernfalls droht der endgültige Absturz in das politische Nichtsein.
Ich will zum Abschluß nicht vergessen, zu erwähnen, wer hier schreiben läßt. Der Focus gehört heute zum Konzern Hubert Burdas. Nach der Forbes-Liste der reichsten Deutschen aus dem Jahre 2007 steht Burda bereits auf Platz 18. Privatvermögen: 4,3 Milliarden US-Dollar.
In Abwandlung einer Kampfparole von Karl Marx könnten man also behaupten, daß die Expropriateure für die vollständige Expropriation der bereits Expropriierten schreiben lassen. In Deutschland kämpfen die Milliardäre für die "Arme Kirche", und behaupten sie stünden an der Seite des Papstes. Das verlogen zu nennen, wäre eine Untertreibung.