Donnerstag, 31. Januar 2013

Über Busenspalten und das feministisch-puritanische Verhängnis

Königin Luise, Dekolletée

Mann geht mir das auf die Nerven! Wenn ich die Tageszeitung aufschlage: Sexismusdebatte. In jedem Blättgen, auf jeder Homepage, vorzugsweise auf der der Pornopostille Stern "feministische Heulerei".

Die Szene, die Laura Himmelreich beschreibt, erinnert mich an eine Szene auf dem Schulhof. Ihr"Wie findet man es, wenn man im fortgeschrittenen Alter zum Hoffnungsträger aufsteigt?" war recht gesehen ihr Einstieg in eine Bataille. Brüderle hätte nun so reagieren können, daß er ihr sein Glas rheinischen Weißwein in ihr, wie man hört, ansehnliches Dekolletée kippte. Ist es etwa fein, einen Menschen auf sein Alter anzusprechen? Bei einer Dame wäre kein Mensch von Anstand auf diese Idee gekommen.

Brüderle reagierte mit einer Bemerkung, die sich nicht nach Kompliment anhört, sondern nach Gegenattacke. Und mit einem stieren Blick auf den Busen der Dame. Und mit weiteren Gesten und Worten, die eher offenbaren, daß es ziemlich schwer ist, übermüdet und angetrunken noch die Contenance und die Regeln des Anstands zu wahren. Ein gefundenes Fressen für die Dämlichkeiten, für die Frauen stets nur Opfer und Männer immer nur Täter sind. Gleich werden die Jammer-Homepages eröffnet, auf denen - bemerkenswerterweise - ausschließlich weibliche Opfer über sexistische Anmache klagen.

Feministische Heulerei eben. Ist niemals in diesem Äon auch nur ein einziger Mann von einer einzigen Frau angebaggert worden? Muß doch wohl so sein, denn wäre es anders, würde die Menschheit wohl ihre Existenz vermissen müssen, denn es ist doch eine allbekannte aber auch allverschwiegene Tatsache, daß nicht Männer, sondern meist Frauen die Initiative ergreifen. Weibliche Arbeitskleidung war dabei immer schon wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Agitprop-Arbeit am Mann.

Manchmal geht die Anbaggerei eben schief. Um verdeckte Signale richtig zu verstehen, brauch es eben emotionale Intelligenz. Soll bei Männern ja nicht so hoch entwickelt sein. Das Problem ist nun allerdings so alt wie die Menschheit, und die Lösungsversuche zum Teil Hohe Religion.

Wie hier:
Sage den Gläubigen, daß sie zügeln ihren Blick
Und hüten ihre Sinnlichkeit,
Das ist untadliger für euch.
Denn Gott ist kundig Eure Thuns.
Sag auch den gläubigen Frauen, daß sie zügeln ihre Blicke
Und hüten ihre Sinnlichkeit,
Nicht zeigen ihre Reize,
Als das was sichtbar ist davon,
Auch daß sie schlagen ihre Schleier
Um ihre Busenspalten. (Muhammad, Koran 24. Sure, Das Licht, Vers 30/31, in der Übersetzung von Friedrich Rückert)
Die puritanische Lösung. Daß dies keine gute Idee war, zeigt die Geschichte der puritanischen Bewegungen, nicht nur der islamischen, sondern auch der  der protestanischen "innerweltlichen Askese". Richtete sich des Augustinermönchs Luthers Revolte doch vor allem gegen die sinnenfrohe Renaissance. Was zur Folge hat, daß in erzprotestantischen Gegenden Männer und Frauen noch immer irgendwie mönchisch gekleidet sind. Und daß Frauen die Freiheiten, die sie in der katholischen Welt genossen, vollständig verloren.

Wo ordnen wir den Feminismus ein? In die Tradition des Puritanismus, sogar in ihre verschärfte Variante, denn der Feminismus gebietet nicht nur den Hosenanzug, sondern - wohlverstanden -eigentlich jeglichen Verkehr mit dem anderen Geschlecht. Das Sozialideal des Feminismus ist genau genommen die lesbische Nonne, die als Quotenfrau über das niedere Gewürm der an Maschinen, Zeichencomputern und Mülltonnen werkelnden Männlichkeit herrscht.

Muslimische Sekten, kommunistische Taboriten, protestantische Calvinisten, radikale Feministen und Maoisten zeichneten sich modemäßig gesehen dadurch aus, daß sie Männer und Frauen am liebsten in grauen Säcken verbergen (der Islam macht allerdings hinter verschlossenen Türen eine radikale Alternative auf). Das Brüderle/Himmelreich-Problem kann man auch so lösen, nur daß wirklich kein Mensch mit auch nur Restverstand in einer islamistischen, kommunistischen, calvinistischen, feministischen oder maoistischen Gesellschaft leben möchte.

Die Alternative ist conservativ und kompliziert. Frau ist Kleidung erlaubt, die ihre Vorzüge nicht verbirgt, sondern betont. Mann benimmt sich, (Methode Schiller, errötend folgt er ihren Spuren). Frei sind nur Gesellschaften, in denen freie Bürger Waffen tragen dürfen. Dazu gehören eben auch die Waffen einer Frau.

Die berühmte Szene zwischen Luise von Preußen und Kaiser Napoleon am 6. Juli 1807 wäre in unserer hach so emanzipierten Gesellschaft völlig undenkbar. Luise war von den einflußreichen Minister von Stein und von Hardenberg dazu bewogen worden, höchstpersönlich mit Napoleon über das Schicksal des militärisch besiegten Preußen zu verhandeln. Keine ganz gewöhnliche Entscheidung, aber in den Zeiten, in denen Frauen angeblich unter dem Patriarchat ächzten, war ihre Rolle nicht selten stärker als die der modernen Quotenfrau.

Luise erschien zu diesem Gespräch keineswegs hochgeschlossen, sondern in einem Kleid der damaligen Mode. Talleyrand berichtete danach erschüttert von "dem tiefsten und vollsten Dekolletée, das eine Deutsche je zeigte". Ein durchaus beeindruckendes Argument, wie man weiß, doch in den Verhandlungen setzte Luise nicht auf weibliche Waffen sondern auf überzeugende Argumente. Das Gespräch ist dokumentiert, Luise erscheint als kluge und geschickte Verhandlerin, nicht als Mäuschen, das sich auf seine körperlichen Vorzüge verläßt. Den Frauenhasser Napoleon hat sie letztlich nicht beeindrucken können, aber die Demütigung ihrer verehrten Königin haben die Preußen übel aufgenommen.

Frauen sind heute entweder schön oder mächtig. Kanzlerinnen und Außenministerinnen, Fraktionsführerinnen erscheinen mindestens in Jacket, meistens im Hosenanzug. Androgyn, nicht sexy, männlich, nicht weiblich. Die wirklich und nicht nur scheinbar mächtigen Frauen der Vergangenheit von Königin Elisabeth von England über Madame Pompadour, Katharina der Großen, Maria Theresia von Österreich, Luise von Preußen wären nie im Traum auf die Idee gekommen, Verhandlungspartnern in Männerkleidung entgegenzutreten. Aber diese Frauen hatten wirklich, was die Hosenanzugträgerinnen, Angela Merkel, Hillary Clinton und Nancy Pelosi nur scheinbar haben: Macht.

Offenkundig geht mit der "Emanzipation" der Frau ihre Verzwergung einher. Logisch, denn der Feminismus gehört der Kultur des Egalitarismus an. Der "Weltgeist zu Pferde" war im übrigen ein ausgeprägter Frauenhasser, und Frauenhasser sind seine modernen Nachfolger_Innen, gleich ob männlich oder weiblich. Alice Schwarzer steht in der Tradition des Sanscullotismus, nicht in der Tradition der Großen Frauen.

Sonntag, 27. Januar 2013

Der "Stern" und der "Sexismus"

Dance card 11. Jan 1887

Wenn ich ganz spontan und mit geschlossenen Augen die Worte "Stern" und Sexismus" assoziiere, fällt mir etwas ganz anderes ein, als der Herr Brüderle und seine altväterlich-undiskreten Sprüche gegenüber einer Journalistin, die noch nicht einmal halb so alt war, wie der Herr Fraktionsvorsitzende.

Spontan denke ich an die Bildchen, die der Herr Nannen, der Gründer des "Stern" gestaltet hat, als er noch für die Propagandaabteilung der Waffen-SS antisemitische Pornobildchen produzierte. (Zarte Seelen sollten NICHT auf diesen link klicken)

Spontan denke ich an die morbide "Wir haben abgetrieben" - Aktion, mit der die Porno-Postille keineswegs die Frauenbefreiung vorantrieb, wie Alice Schwarzer, das Dummerchen, glaubte, sondern - die Redakteure des Stern hatten ihren Wilhelm Reich gelesen - die sexuelle Revolution.

Spontan denke ich an die aussichtslose Klage ebender Alice Schwarzer gegen den Stern der 70iger Jahre, der sich als pornographischste Illustrierte der Nation profilierte und die Zeitungskioske mit Arsch- und Tittenbildchen flutete.

Und was hat Brüderle so schreckliches gesagt, daß die junge Journalistin ein ganzes Jahr benötigte, um diesen furchtbaren Schock zu verdauen? "Sie können ein Dirndl ausfüllen" (womöglich stierer Blick auf das, was Muhammad in Sure 24,31 erwähnt). "Ich möchte, daß Sie meine Tanzkarte annehmen."

Tanzkarte? Süß. Ich dachte das wäre nur was für Damen. Was sollen wir darüber denken? Auch Du Rainer? Und nicht nur Der Vorzende?

Aber ansonsten Jungs und Mädels vom Stern: da sind wir von Euch ganz anderes gewohnt, echten, harten Stoff.

Immerhin hat die Affäre ja einiges zum interkulturellen Dialog beigetragen, selbst die Hürriyet beschäftigt sich in einem wahrscheinlich höchst investigativen Artikel mit dem eigenartigen Kleidungsstück bayerischer Ladys. (Und solcher, die so scheinen wollen)

Und hier muß ich unbedingt noch eine tiefgründigste Analyse des ganzen Vorgangs aus vermutlich thomistischer Sicht empfehlen. (Naja, über Theologie und so weiß ich nicht wirklich viel)

Und außerdem noch sehr lesenswert eine umfassende Darstellung des Diskurses betreffend des ungentlemanliken Herrn B. (der ja nun wirklich eine Schande für seine Gattung ist) auf den Seiten des blogonischen Imperiums.

Wir haben ein Thema.

Samstag, 26. Januar 2013

Na also: Es gibt noch christliche Juristen: Polnisches Parlament lehnt Homo-Ehe ab.

Es gibt schon reichlich Gelegenheiten,  daß ich an meinem eigenen - dem Juristenstand - verzweifle. Dazu gehören vor allem Entscheidungen der höchsten Gerichte, die offenbaren, daß der Verstand der lieben Kollegen von der Genderpest befallen ist.

Dazu gehört insbesondere das Urteil des EuGH, mit dem der Hof die Versicherer Europas unabhängig von geschlechterspezifischen Risiken (Männer fahren aggressiver Auto -daher höhere Tarife in der Autohaftpflicht, Männer sterben früher - daher günstigere Tarife in der privaten Rentenversicherung) dazu verpflichtete, sogenannte Unisex-Tarife anzubieten.

In der Kommentierung dieses Urteils schrieb ich damals,  daß uns dieser Tag noch in Erinnerung bleiben wird. An mich selbst hatte ich erst nicht gedacht. Nun, nachdem mir meine Versicherung berechnet hat, was ich im Alter erwarten kann, fällt mir auf, daß auch mich der Genderwahn viel Geld kosten wird. Ich habe eine Risikolebensversicherung, die für mich wegen meines Geschlechts (höheres Versterbensrisiko) teurer war, als für eine Frau. (Das Thema Männer und Motorrad, hatten wir glaube ich mal, man spricht unter Unfallmediziner vom sogenannten Morbus Kawasaki). Getröstet hat mich, daß ich bei der Verrentung dafür eine höhere Rente erwarten kann. Ist nicht, wegen Unisex. (Der Verlust liegt, kapitalisiert, im fünfstelligen Bereich)

Nun ja, der Indianer weint nicht, der Katholik schon gar nicht, aber es wächst in mir der ganz persönlich-individuell-konkrete Wunsch, das "sogenannte europäische Haus" an allen vier Ecken anzuzünden.

Schon länger frißt sich die Gedankenpest des Genderwahns auch durch die Hirne deutscher Verfassungsrichter.

Doch nun geht im Osten die Sonne auf. Ex oriente lux, wie der Lateiner sagen würde. Das polnische Parlament hat eine Initiative zur Einführung der Homo-Ehe mit Mehrheit abgelehnt. Und die Fronten, die sich hier auftun, zeigen uns vor allem, wer wessen Geistes ist. Eingebracht war der Entwurf von der angeblich liberal-konservativen PO, heftigst unterstützt von der Front aus Katholikenfressern (Palikot) und den spätkommunistischen Anhängern des Prokrustes (SLD), ebenso heftig bekämpft von der aus der Solidarnoscz hervorgegangenen PiS und den verbündeten konservativen Gruppierungen, etwa der Bauernpartei.

Entscheidend war allerdings, daß auch innerhalb der PO eine ausreichende Minderheit gegen das Modeprojekt der europäischen BoBo-Linken stimmten. Und daß auch der von der PO gestellte Justizminister dem Projekt seine Unterstützung versagte.
Wie die Online-Ausgabe der Zeitung Rzeczpospolita berichtet, nannte Justizminister Gowin in der Aussprache direkt vor dem Votum alle drei Gesetzesentwürfe zur eingetragenen Lebenspartnerschaft verfassungswidrig. Artikel 18 der polnischen Verfassung hält fest, daß „die Ehe als Verbindung einer Frau und eines Mannes, die Familie, Mutterschaft und Elternschaft“ unter dem Schutz und der Fürsorge der Republik Polen stehen.
Eigentlich hält auch Art. 6 GG ebendieses fest. Was dem BVerfG allerdings mittlerweile nicht mehr auffällt.

Sonntag, 20. Januar 2013

Katholizismus und Kekse

Charles Edward Stuart verabschiedet sich von Flora Macdonald

Zu Hohen Festen, wie auch zu Geburtstagen schenkt mir meine Herzallerliebste - Kekse. Nicht irgendwelche Kekse, sondern selbstverständlich DIE KEKSE. Schottisches Shortbread, um genau zu sein.

Schlichtes Gebäck, Mehl, Butter, Salz, Zucker. Natürlich von einer ganz bestimmten - selbstverständlich urschottischen - Firma. Die muß so was wie das Weltmonopol auf schottische Kekse haben, obwohl man doch meinen sollte, daß aus Mehl, Butter, Salz und Zucker jeder schottische Kekse herstellen könnte. Geht aber nicht. Wahrscheinlich fehlt das secret ingredient. Wie bei der Secret ingredients soup.

Auf die hübsche Verpackung habe ich in all den Jahren nicht geachtet. Sie zeigt ein berühmtes Gemälde. Flora Macdonald verabschiedet sich von dem letzten jacobitischen Thronfolger, Bonnie Prince Charlie. Charles Edward Stuart war als Sohn von James III and VIII legitimer Thronfolger von England, Schottland und Irland. Sein Großvater war - unter anderem, weil er sich wieder dem katholischen Glauben zugewandt hatte - aus England vertrieben worden. Der Vertreibung des legitimen Königs folgte eine lange Phase nicht nur der Unterdrückung der englischen Katholiken, auch die Iren und Schotten hatten in der Folge unter der englischen Dominanz zu leiden.

Prinz Charles Versuch, England zurückzuerobern, fand deshalb auch Unterstützung bei den Schotten, die die englische Oberherrschaft abschütteln wollten. Mit einer vorwiegend schottischen Armee trat Charles der englischen Armee entgegen und verlor nach Anfangserfolgen schließlich in der Schlacht von Culloden.

Charles gelang es, trotz eines Kopfgeldes von 30.000 Pfund zu fliehen, unterstützt von den schottischen Clans. Flora Macdonald, die seine Flucht organisierte, wird noch immer als Volksheldin verehrt.

Auf den englischen Inseln ist mit dem letzten katholischen Thronfolger der Stuarts ein Idee von Unabhängigkeit und Freiheit verbunden. Und jeder der schottische Kekse kauft, wird daran erinnert.

Auf besonderen Wunsch eines aufmerksamen Lesers hier noch ein link auf die lesenswerte deutsche Version des Wikipedia-Eintrags über die Schlacht bei Culloden.

Donnerstag, 17. Januar 2013

Der EGMR und die Religionsfreiheit: Das Verhängnis der "Nichtdiskriminierung"

Die meist kurzen Berichte über das aktuellste Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit betonen meist nur einen Aspekt. Entweder ist das Glas viertels voll: einer Klägerin ist das Recht zugestanden worden, ein kleines Kreuz sichtbar auch während ihrer Arbeit als Angestellte der British Airways zu tragen. Oder das Glas ist dreiviertels leer: die drei anderen Kläger haben vor dem EGMR verloren. Alle vier waren überzeugte Christen. Vier Briten, davon zwei weiß und zwei schwarz (wenn man das noch sagen darf). Im Sinne der Nondiscrimination und der ständigen Rechtsprechung der europäischen Obergerichte muß man natürlich von zwei dunkel pigmentierten britischen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund sprechen. Warum diese Form des Screwspeak hier wirklich zwingend ist, dazu später.

Für einen Kenner der Rechtsprechung des EGMR sind die drei Urteile nun keine Überraschung. Zunächst schützt Art. 9 EMRK nicht nur das Recht, eine religiöse Überzeugung zu "haben" (im Sinne der vermaledeiten nun endlich überholten Rechtsprechung des BVerfG: das "forum internum") sondern ausdrücklich auch das Recht, die eigene Religion "öffentlich zu bekennen". Die Rechtsprechung der europäischen Gerichte hat dieses Recht des öffentlichen religiösen Bekenntnisses in vielen Entscheidungen immer wieder bestätigt.

Im Fall der Klägerin Ms. Eweida (im Sinne der Nondiscrimination erfahren wir nicht mehr, ob es sich hier um eine Ms oder eine Mrs handelt) ging es darum, daß Frau Eweida als Bodenangestellte der British Airways eine kleines silbernes Kreuz tragen wollte, was ihr Arbeitgeber ihr untersagte. Abzuwägen war damit das Recht von Ms Eweida, ihre Religion "öffentlich zu bekennen" und das Recht ihres Arbeitgebers, die durch eine Uniform bezeichnete corporate identity zu wahren. Da fiel die Abwägung nicht schwer. Ms. Eweida gewann.

Ms Chaplin, Krankenschwester, verlor. Ihr Arbeitgeber hatte behauptet, ihr Kreuz gefährde die Patienten, da sie sich in der Kette verfangen könnten. Klingt faul, war für den EGMR aber maßgeblich, den diese Behauptung war von den (Tatsachen-)Vorinstanzen als zutreffend angesehen worden. Keine Chance damit für den EGMR, denn bei der Abwägung zwischen Gesundheit und Sicherheit und Religionsfreiheit gewinnt in diesem Fall die Sicherheit. Auch nicht wirklich überraschend.

Die beiden Urteile in der Ms Ladele und des Mr McFarlane haben da einen ganz anderen Charakter. Sie zeigen uns das Verhängnis der "Nichtdiskriminierung", The Menace Of Nondiscrimination in other words, The Menace Of The Herd, um es mit dem österreichischen Ritter von Kuehnelt-Leddhin zu sagen.

Ms Ladele arbeitete als Standesbeamtin, Mr McFarlane als Sexualtherapeut. Sie weigerte sich, homosexuelle Paare zu trauen, er weigerte sich, homosexuelle Paare zu therapieren. Beide verloren ihre Arbeit. Abzuwägen sei, so das Gericht, auch hier zwischen dem Recht der beiden, ihre Religion nicht nur zu haben, sondern auch zu leben, und den Rechten anderer. Dieses Recht der Anderen sei aber hier das Recht homosexueller Paare auf "Nichtdiskrimierung", im Sinne des Art. 14 EMRK.

Eine schwierige Entscheidung, denn Art. 14 EMRK nennt ausdrücklich nur die Diskriminierung wegen "des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status". In der EMRK ist nicht die sogenannte "sexuelle Orientierung" erwähnt, im Gegensatz zur unsäglichen Grundrechte-Charta der EU. (Die EMRK ist für die Staaten des Europarates verbindlich, die Grundrechte-Charta für die Staaten der EU, der EGMR entscheidet über die Auslegung der EMRK)

Schon dies ist eine - allerdings inzwischen in vielen anderen Entscheidungen vollzogene - Grenzüberschreitung.

Des Pudels Kern - so to say - ist jedoch, daß der EGMR die Unterscheidung (in einem Fremdwort ausgedrückt: Diskriminierung) zwischen einem heterosexuellen Paar und einem homosexuellen Paar für verbotene "Diskriminierung" hält. Der Rechtsgedanke also, daß  nicht nur die Ungleichbehandlung von Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von Ungleichem ungerecht sei, und damit ein Verstoß gegen das Gebot der gerechten Gleichbehandlung, kann getrost als ausgestorben angesehen werden.

Gleichmacherei ist der Ungeist, der dieses Urteil kennzeichnet. Es ist der Ungeist, der die Europäische Union durchdringt, wie sie ihre geistig-kulturelle Großmutter durchdrungen hat, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. The Menace of the Herd, das Verhängnis der Masse so to say.

Sonntag, 13. Januar 2013

Mariageophile pas homophobe


4 gegen 340.000 (oder 800.000). 4 Femen demonstrierten bei dem Angelusgebet wie üblich mit freien Öberkörper und der Parole "In gay we trust" am heutigen Tag auf dem Petersplatz in Rom. Ziemlich blond, die Damen. Und deshalb haben auch fast alle deutschen Journaillisten über die Aktion in Rom berichtet.

340.000 (nach Angaben der Veranstalter 800.000) demonstrierten am selben Tag in Paris gegen die Homo-Ehe, das war bis zu diesem Moment nur der "Tagesschau" dem "Spiegel" und der "Jungen Freiheit" eine Nachricht wert. Beim Spiegel war es natürlich eine "Kreuzzug" und es waren gerade mal ein paar zehntausend. So isse halt, die Qual-I-Täts-Presse.

La Manif war schon sehr bunt, von einem Trupp der Petrusbruderschaft in korrekter Soutane, über die eher finster dreinschauenden Knurzkatholiken der "Civitas", bis zu Homos, die Schwulsein sich besser ohne Ehe vorstellen können.

Ich weiß noch nicht so ganz, wie ich das finden soll, jedenfalls finde ich es sehr frangsösich. Und daß eine Komikerin, Madame Frigide Barjot (very funny, Miss Barjot) und nicht etwa die üblichen Verdächtigen die zentrale und offenbar sehr erfolgreiche Kampagne initiiert und koordiniert, find ich eigentlich trés katholisch.
Where ever the catholic sun does shine,
You will find Laughter and good red Wine
At least I always found it so
Benedicamus domino
(Hilaire Belloc, ein Frangsose, na klar)
Witzischkeit ist unsere Waffe, oder? Die Akzentsetzung, nicht gegen Homosexuelle, sondern gegen die Homosexualisierung zu kämpfen, liegt mir. Diese Akzentsetzung ist auf La Manif Pour Tous gut gelungen.

Daß es um Homosexualisierung geht, also um die Veränderung des Sexualverhaltens der ganzen Gesellschaft, letztlich um die Zerstörung der "Bürgerlichen Kleinfamilie" und die Vernichtung des KFM-Menschen kann man sich klar machen, wenn man die winzige Zahl von eingetragenen Partnerschaften mit der Zahl der Ehen vergleicht. Ganze 23.000 vorwiegend schwule Lebenspartnerschaften gibt es in Deutschland, bei mehr als 18 Millionen Ehen. Im mathematischen Verhältnis ausgedrückt, sind das 1,2 Promille. Kann es sein, daß es um diese winzige Gruppe geht? Nein, es geht um Gleichmacherei. Positiv ausgedrückt um Nicht-diskriminierung, Nicht-Unterscheidung also.

Wer Familie hat, weiß, das Menschen nicht gleich sind. Nicht einmal eineiige Zwillinge sind es. Familien bestehen aus Personen, nicht aus Klonen. Die Anhänger des Egalitarismus waren der Familie schon immer feind. Familie ist von Natur aus hierarchisch und diversitär. Ihre Gegner träumen von einer Gesellschaft identischer Partikel.

Samstag, 12. Januar 2013

Erinnerung an die Zukunft: Ökumene statt Ökumiste 1861

Ernst Ludwig von Gerlach 1795 - 1877
Wenn Kirchenfürsten in Deutschland über Ökumene reden, vor allem das unsägliche protestantische Paar Nikolaus Schneider und Margot Käßmann, frage ich mich, ob es denn nicht anders ginge. Durch Zufall - oder im Kontext meiner stets intensiven Beschäftigung mit meiner Heimatregion Noaddeutschland - stieß ich da auf die Texte eines höchst politisch und allerhöchst christlich gesinnten Herrn aus dem 19. Jahrhundert: Ja, es geht auch anders. Nach vorne, nicht nach hinten:

1860 trafen sich in Erfurt prominente evangelische und katholische Christen zur wohl ersten ökumenischen Konferenz auf deutschem Boden. Das Treffen war nicht gerade ein Erfolg. Von offizieller Seite wurde das Bemühen um ein Bündnis zum Teil scharf kritisiert, auch Teile der Conservativen Partei, die auf dem Treffen prominent vertreten war, setzten sich von der Konferenz ab. Die wichtigste und einflußreichste Persönlichkeit der Conservativen Partei Preußens aber, Ernst Ludwig von Gerlach, verteidigte das Treffen.

Von Gerlachs Plädoyer für  eine evangelisch-katholische Zusammenarbeit sollte sich als geradezu prophetisch erweisen. Ein Jahrzehnt später zettelten der conservative Dissident von Bismarck und die liberale Mehrheit des preußischen und deutschen Parlaments den Kulturkampf an, der die katholische Kirche schwer traf, mit Folgen  für die Katholiken, die bis heute die Kirche in Deutschland schwer belasten.

Aber auch die Evangelischen verloren im Kulturkampf Einfluß und Selbständigkeit. Die mangelnde Einigkeit rächte sich. Es gelang Bismarck, der sich aus machtpolitischem Kalkül auf die Seite der prinzipiell kirchenfeindlichen im Kern jakobinischen "Altliberalen" geschlagen hatte, liberale Katholiken und conservative Katholiken, liberale Protestanten und conservative Protestanten gegeneinander auszuspielen. Beide Konfessionen verloren. Der Mitbegründer der Conservativen und ihr mit Abstand wichtigster Mann, Ernst Ludwig von Gerlach, geriet in die völlige politische Isolation. Aus Protest gegen die Eroberungs-Politik Preußens, gegen das, wie er es in Verketzerung des preußischen Staatsmottos nannte "suum cuique rapit", gegen die Sprengung des Bündnisses zwischen Österreich und Preußen, gegen den deutsch-deutschen, aber auch den deutsch französischen Krieg, in Opposition gegen den Kulturkampf des Dr. Virchow und des Reichskanzlers von Bismarck trat von Gerlach schließlich 1873 aus der Conservativen Partei aus und schloß sich der Zentrumsfraktion an.

Der deutsche Conservativismus, der in der Folge nationalistisch, schließlich gar antisemitisch degenerierte, starb 1873. Von Gerlachs politische Voraussagen trafen ein. Die deutsche Geschichte nahm den bekannten katatrophalen Verlauf.

Was von Gerlach über das Klima eines interkonfessionellen Gespräch sagte, halte ich für noch immer zukunftsweisend, und für noch immer unverstanden. Von Gerlach hätte niemals einer "Ökumene der Profile" das Wort geredet, ebensowenig der Ökumene der Indifferenz, der zeitgeistigen Gleichmacherei, des kleinsten gemeinsamen Nenners. Die Ökumene von Gerlachs war eine der heißen Herzen, keine des lauen Gewäschs:
Der Verfasser dieses Aufsatz sagt kein Wort gegen Kontroversen und Bekehrungseifer. Brennte die Bruderliebe erst heller und schärfer auf beiden Seiten, gerade dann würde wir mehr hören und sehen als jetzt von gutem Eifer auf beiden Seiten. nicht der Eifer um das Haus Gottes, der nach Joh. 2,17 den Herrn selbst gefressen hat, nicht der heiße Trieb, Seelen zu gewinnen, zerreißt die Kirche, sondern die kalte, tote Gleichgültigkeit, das leere, laue Nebeneinander-Existieren ohne Glauben und ohne Liebe. Indifferenz, nicht Intoleranz, - Lauheit, die der Herr ausspeit aus seinem Munde, - das sind die Krankheiten, an denen die Zeit und matt und krank ist, und an denen diesseits und jenseits die Kirche Gottes darnieder liegt.
Von Gerlach bezeichnete seine eigene religiöse Orientierung als "evangelische Katholizität", was aufwendig zu erklären wäre. Aber wer einen Blick auf und in die von von Gerlachs verehrten und geliebten König Friedrich Wilhelm des IV erbaute Friedenskirche wirft, kann einen spontanen Eindruck gewinnen.

Das Zerwürfnis zwischen von Gerlach und seinem einstigen Schüler von Bismarck war ein Jahrzehnt später fundamental. Eine Rede, in der von Gerlach die Rechts-, Staats-  und Kirchenpolitik des nunmehr "altliberal" gewandelten von Bismarck kritisierte, führte zu einem Strafverfahren und zur Entlassung des  auch von seinen Fachkollegen hochverehrten Richters und Präsidenten des Oberlandesgerichts in Magdeburg. In dieser Rede kritisierte von Gerlach die als Instrument des Kirchenkampfes eingeführte Civilehe.

Es lohnt sich die Rede durchzulesen. Man kann aus dieser Rede vieles lernen. Über das Verhältnis von Staat und Kirche (den "Laizisten" ins Stammbuch). Über das Verhältnis von Bismarck und Gerlach. (den Bismarck-Verehrern ins Stammbuch) Über "altliberale" Verlogenheit. (Den *piep*liberalen ins Stammbuch) Über conservativen Opportunismus und etatistische Verblendung. (den heutigen "Christdemokratien" ins Stammbuch) Über Raubpolitik (von Gerlach vergleicht Wilhelm den I. mit dem italienischen "Raubkönig" Victor Emmanuel, von Bismarck mit Cavour und Garibaldi) (den ochlokratischen Nationalisten ins Stammbuch).

1874, als diese Rede gehalten wurde, war der Kirchenstaat gefallen, der Kulturkampf war in vollem Gange. Die Conservativen Preußens - obwohl vorwiegend evangelisch - hatten vor 1870 um der Freiheit der Kirche willen die Existenz des Kirchenstaats politisch verteidigt. Nun verteidigte der letzte versprengte Conservative, die Religionsfreiheit der preußischen und deutschen Christen, nicht etwa nur der Katholiken.

Die Auseinandersetzung unserer Tage ist wieder einmal eine um die Einheit der Christen, wieder einmal um die Verteidigung der Familie, wieder einmal um die Freiheit der Religion. (Auch) auf diesem Hintergrund ist die Gestalt des Politikers von Gerlach geradezu atemberaubend aktuell.
Um es zum Schluß noch einmal klar zu sagen, was gerade den Politiker Gerlach für uns heute zu einer so atemberaubend aktuellen Gestalt werden läßt, das ist sein einsames Frondieren gegen Führertum und totalen Staat ("Staatsomnipotenz") um der konservativen Rechtsstaatsidee willen. Am 20. Januar 1873 hat Gerlach im Abgeordnetenhaus in die Kulturkampfdebatte eingegriffen und erklärt: "Die Staatsomnipotenz ist ein Leugnen Gottes, also auch des Eides. Damit fällt der Zeugeneid, der Fahneneid, der Amtseid, der Krönungseid." Der stenographische Bericht verzeichnet stürmische Heiterkeit. - Uns ist wahrhaft das Lachen vergangen, eher werden uns die Tränen kommen." (Hans Joachim Schoeps, Das andere Preußen, Berlin 1974, S. 92)