Falschmünzer am Werk |
Ich bekenne mich als Sarrazin-Leser. Sogar als - allerdings vom Glauben abgefallener - Sarrazin-Gläubiger. Bisher habe ich jedes Buch gelesen, das Sarrazin geschrieben hat, auch fast jeden Artikel, den er in den "alternativen" internet-Gazetten, etwa der "Achse des Guten" oder der "eigentümlich frei" verfasst hat. Dort gehört er inzwischen ja zum Inventar, verfasst regelmäßig Artikel, nimmt an Konferenzen teil, präsidiert als der verbissene staatsfrömmelnde Sozi, der er ja ist, sogar auf "libertären" Konferenzen.
Menschen, die es für nötig halten, ihre Meinung mit harten Fakten zu untermauern, haben mich schon immer beeindruckt. Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" vermittelt diesen Eindruck. Doch dieser Eindruck ist falsch. Jahre, nachdem ich Sarrazins Bestseller gelesen habe, nahm ich erst die Beschwerde eines der "Datenlieferanten" des Buches zur Kenntnis.
In seinem Buch "Islam in der Krise" beschwert sich der Religionswissenschaftler Dr. Michael Blume über die selektive Zitierweise einer der Statistiken, die er als Wissenschaftler erarbeitet hat. Beim Vergleich des Originals mit der Fälschung fällt auf, daß Sarrazin offenbar absichtlich Details weggelassen hat, die seine These, religiöser Fundamentalismus korreliere mit hohen Kinderzahlen, widersprechen. Es geht konkret um die Geburtenrate bei den streng religiösen Zeugen Jehovas und der Neuapostolischen Kirche. Sarrazin ließ in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" gezielt beide Gruppen unter den Tisch fallen, offenbar weil die "Zeugen" mit einer sehr niedrigen Gesamtgeburtenrate von lediglich 1,24 und die Neuapostolischen mit einer ebenfalls niedrigen Geburtenrate von 1,39 nicht ins Bild passen.
Blumes Statistik weist eine hohe, aber unterdurchschnittliche Geburtenrate bei Muslimen auf, die Sarrazin gerne zitiert, die aber keineswegs Sarrazins These des "Geburtendjihad" belegt.
Die "Methode Sarrazin" treibt er nun in seinem neuen Buch "Feindliche Übernahme" auf die Spitze. Im krampfhaften Versuch, nachzuweisen, daß in den islamischen Ländern eine "Geburtenexplosion" stattfindet, rechnet er die geburtenstarken, aber mehrheitlich christlichen afrikanischen Staaten Tansania (Christen: 61,4%). Eritrea (Christen: 51,4%) und Äthiopien (Christen: 62,7%) zu den "afrikanischen islamischen Staaten". Um die Zahlen noch gewaltiger und beängstigender erscheinen zu lassen, vergleicht er die Bevölkerungszahlen von 1950 mit denen von 2015.
Ein Vergleich der aktuellen Gesamtgeburtenraten wäre interessanter und signifikanter gewesen, aber sie hätten zu Sarrazins Terror-Statistiken nicht gepasst. Eher verschämt versteckt in einer Fußnote kann man lesen, daß die Geburtenraten des Iran (er hätte auch Bangla Desh, Indonesien oder die Türkei nennen können) nicht so recht ins Bild passen.
Gerade die iranischen Zahlen widerlegen Sarrazins Geburtenjihad-These. Im Iran nämlich begann der rapide Absturz der Geburtenzahlen unmittelbar nach der islamischen Revolution. Nach einem kurzzeitigen Anstieg auf eine Gesamtgeburtenrate von 6,52 im Jahre 1983, dem Jahre 4 der islamischen Revolution stürzten die Geburtenrate dramatisch innerhalb eines knappen Zeitraums von 18 Jahren unter das Erhaltungsniveau. 2001 hatte jede iranische Frau im Durchschnitt nur noch 2,09 Kinder. Innerhalb von weiteren fünfzehn Jahren sank die Geburtenzahl auf nur noch 1,66 im Jahre 2016.
Die Islamisierung des Iran hat also das genaue Gegenteil dessen bewirkt, was die Islamisierung des Iran der Sarrazin-These folgend, hätte bewirken müssen. Die Gründe sind relativ einfach zu finden, wenn man sich bei Fach-Wissenschaftlern, z.B. bei Hans Rosling umsieht.
Sarrazin gehört damit zu den "Zurückgebliebenen", von denen Hans Rosling gerne und häufig spricht, deren Data-Set dem Jahr entsprach, in dem Sarrazin das dritte Schuljahr besuchte - 1960.
Sarrazin entpuppt sich damit als überklassischer Sozi, der noch immer in der Zeit vor dem Godesberger Programm lebt (1959), als für die Sozialdemokratie zumindest programmatisch noch jegliche Religion Opium für Volk war. Sarrazin holt diese These aus der Mottenkiste und mit ihm alle programmatischen Versatzsstücke, die den altsozialdemokratischen Laizismus auszeichneten, Abschaffung der "überständigen" (so wörtlich) "Privilegien" der Kirche, Abschaffung des Religionsunterrichts und tutti quanti.
Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, daß der religionspolitisch gesehen Alt-Sozialist Sarrazin, den man durchaus als geistigen Vater der "AfD" ansehen kann, die laizistische Progammatik mit der antiislamischen und zunehmend auch antichristlichen AfD teilt. Aber die wird ja nicht nur religionspolitisch immer mehr zur alt-sozialistischen Partei. Paßt.
In seinem Buch "Islam in der Krise" beschwert sich der Religionswissenschaftler Dr. Michael Blume über die selektive Zitierweise einer der Statistiken, die er als Wissenschaftler erarbeitet hat. Beim Vergleich des Originals mit der Fälschung fällt auf, daß Sarrazin offenbar absichtlich Details weggelassen hat, die seine These, religiöser Fundamentalismus korreliere mit hohen Kinderzahlen, widersprechen. Es geht konkret um die Geburtenrate bei den streng religiösen Zeugen Jehovas und der Neuapostolischen Kirche. Sarrazin ließ in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" gezielt beide Gruppen unter den Tisch fallen, offenbar weil die "Zeugen" mit einer sehr niedrigen Gesamtgeburtenrate von lediglich 1,24 und die Neuapostolischen mit einer ebenfalls niedrigen Geburtenrate von 1,39 nicht ins Bild passen.
Blumes Statistik weist eine hohe, aber unterdurchschnittliche Geburtenrate bei Muslimen auf, die Sarrazin gerne zitiert, die aber keineswegs Sarrazins These des "Geburtendjihad" belegt.
Die "Methode Sarrazin" treibt er nun in seinem neuen Buch "Feindliche Übernahme" auf die Spitze. Im krampfhaften Versuch, nachzuweisen, daß in den islamischen Ländern eine "Geburtenexplosion" stattfindet, rechnet er die geburtenstarken, aber mehrheitlich christlichen afrikanischen Staaten Tansania (Christen: 61,4%). Eritrea (Christen: 51,4%) und Äthiopien (Christen: 62,7%) zu den "afrikanischen islamischen Staaten". Um die Zahlen noch gewaltiger und beängstigender erscheinen zu lassen, vergleicht er die Bevölkerungszahlen von 1950 mit denen von 2015.
Ein Vergleich der aktuellen Gesamtgeburtenraten wäre interessanter und signifikanter gewesen, aber sie hätten zu Sarrazins Terror-Statistiken nicht gepasst. Eher verschämt versteckt in einer Fußnote kann man lesen, daß die Geburtenraten des Iran (er hätte auch Bangla Desh, Indonesien oder die Türkei nennen können) nicht so recht ins Bild passen.
Gerade die iranischen Zahlen widerlegen Sarrazins Geburtenjihad-These. Im Iran nämlich begann der rapide Absturz der Geburtenzahlen unmittelbar nach der islamischen Revolution. Nach einem kurzzeitigen Anstieg auf eine Gesamtgeburtenrate von 6,52 im Jahre 1983, dem Jahre 4 der islamischen Revolution stürzten die Geburtenrate dramatisch innerhalb eines knappen Zeitraums von 18 Jahren unter das Erhaltungsniveau. 2001 hatte jede iranische Frau im Durchschnitt nur noch 2,09 Kinder. Innerhalb von weiteren fünfzehn Jahren sank die Geburtenzahl auf nur noch 1,66 im Jahre 2016.
Die Islamisierung des Iran hat also das genaue Gegenteil dessen bewirkt, was die Islamisierung des Iran der Sarrazin-These folgend, hätte bewirken müssen. Die Gründe sind relativ einfach zu finden, wenn man sich bei Fach-Wissenschaftlern, z.B. bei Hans Rosling umsieht.
Sarrazin gehört damit zu den "Zurückgebliebenen", von denen Hans Rosling gerne und häufig spricht, deren Data-Set dem Jahr entsprach, in dem Sarrazin das dritte Schuljahr besuchte - 1960.
Sarrazin entpuppt sich damit als überklassischer Sozi, der noch immer in der Zeit vor dem Godesberger Programm lebt (1959), als für die Sozialdemokratie zumindest programmatisch noch jegliche Religion Opium für Volk war. Sarrazin holt diese These aus der Mottenkiste und mit ihm alle programmatischen Versatzsstücke, die den altsozialdemokratischen Laizismus auszeichneten, Abschaffung der "überständigen" (so wörtlich) "Privilegien" der Kirche, Abschaffung des Religionsunterrichts und tutti quanti.
Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, daß der religionspolitisch gesehen Alt-Sozialist Sarrazin, den man durchaus als geistigen Vater der "AfD" ansehen kann, die laizistische Progammatik mit der antiislamischen und zunehmend auch antichristlichen AfD teilt. Aber die wird ja nicht nur religionspolitisch immer mehr zur alt-sozialistischen Partei. Paßt.