Dienstag, 16. Januar 2018

Wer von christlicher Politik träumt,wird sich mit einer "Kleinpartei" begnügen müssen.


W.E.v.K Der Löwe von Mainz
Game over: Null Punkte.


Ich gebe mich nicht mehr der Illusion hin, daß christliche Politik, die wirklich etwas bewegt, noch möglich ist. Die politischen Niederlagen, die engagierte Christen in der Politik allein in den letzten fünfzig Jahren hinnehmen mußten, zeigen, daß die Einflußmöglichkeiten für Christen in der Politik parallel zu den Einflußmöglichkeiten von Christen in der Öffentlichkeit gegen Null tendieren.

Die Christdemokratie, von ihrem Anspruch als Verteidigerin des "christlichen Sittengesetzes" angetreten, hat letztenendes versagt. Politisch engagierte Christen sollten sich eingestehen, daß der Versuch, innerhalb der etablierten Parteien zu wirken, auch innerhalb von CDU und CSU, gescheitert ist. Die Alternative, auch da sollten wir illusionslos sein, ist eine Kleinpartei. Wir müssen uns auf absehbare Zeit damit begnügen, auf dem Wahlzettel ein Kreuz bei einer Partei machen zu können, die wenigstens das Prädikat "christlich" für sich in Anspruch nehmen kann, Eine Chance auf Teilhabe gibt es für uns nicht mehr.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die "Alternative (für Deutschland)" halte ich nicht für eine Alternative, schon gar nicht für eine christliche.  

Das Konzept "Sammlungspartei", das das Konzept der CDU/CSU war, ist gescheitert. In Wahrheit hat diese Sammlungspartei nur mit zeitlicher Verzögerung den antichristlichen Zeitgeist nachvollzogen. Sie hat die "Déchristianisation" bestenfalls gebremst, statt sie zu verhindern.

Ein Blick zurück

Ich blicke nun auf mehr als 50 Jahre politischen Bemühens zurück. Ich sehe keinen Fortschritt zum Besseren.  Nur beispielhaft sei hier die Entwicklung von Familie, Religion und Familienrecht genannt.

Die unmittelbare Nachkriegszeit wird heute als das "golden age of marriage" bezeichnet, oder anders gesagt als das goldene Zeitalter der christlichen Ehe und Familie. Nie war die Zahl der Eheschließungen so hoch und die Zahl der Scheidungen so gering, die optimalen familiären Bedingungen sorgten gleichzeitig für den sogenannten Baby-Boom bis Anfang der sechziger Jahre.

Auch der Bevölkerungsanteil der Mitglieder der christlichen Konfessionen lag 1950 bei nahe 100%. Doch der Bevölkerungsanteil der beiden großen christlichen Konfessionen ging von 1951 bis 2016 von 96,4 % auf heute 55% zurück.

Je weniger Christen aber, um so weniger auch - der Form nach - christliche Ehen. Kamen in den 50iger Jahren auf mehr als zwölf Eheschließungen nur eine Ehescheidung, so kamen in den 2000er Jahren weniger als zwei Eheschließungen auf eine Ehescheidung. Lag die Zahl der Eheschließungen 1950 bei rund 750.000, liegen sie heute bei weniger als 400.000. Lag die Zahl der Geburten in den 60igern bei bis zu 1,3 Mio, liegt sie heute bei  um 700.000, ein Drittel der Kinder werden als Kinder unverheirateter Mütter geboren.

Die Straße ins Nirgendwo

Die christlichen Sammlungsparteien setzten dieser Entwicklung keinen nachhaltigen Widerstand entgegen, vielmehr waren CDU/CSU an der allmählichen Dékonstruktion von christlicher Ehe und Familie beteiligt. Seit dem 30.6.2017 ist dieser Widerstand völlig zusammengebrochen. Es war eine "christ"demokratische Kanzlerin, die die "Ehe für Alle" möglich machte. Nun ist aber die Ehe für Alle, so etwas wie das Abitur für Alle, ein Muster ohne Wert.

Die Entwicklung begann in den Sechzigern mit einer scheinbar bedeutungslosen Änderung des Sexual-Strafrechts. Man wollte, so die damaligen Koalitionsparteien, nämlich CDU und SPD, das Sexualstrafrecht auf "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" konzentrieren. Das Sexualstrafrecht sei nicht dazu da, sittliche Normen zu verteidigen. Aus dem StGB-Kapitel "Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit" (RStG 1871) wurde das Kapitel "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung". Außereheliche Sexualität wurde entkriminalisiert, die Prostitution wurde teilweise legalisiert, der Straftatbestand des Ehebruchs abgeschafft, Homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen waren nunmehr straflos, und Pornographie wurde weitestgehend zugelassen. 

Daß diese Maßnahmen - von den Sexualrevolutionären als zu wenig weitgehend kritisiert - fatale Spätfolgen hatten, wissen wir heute. So hat der inzwischen praktisch unbegrenzte Zugang zu Pornographie die sexuellen Beziehungen regelrecht vergiftet, Promiskuität wurde zur vorherrschenden Kultur, Prostitution ist eine "normaler Beruf", Ehebruch ist geradezu chique.

Es folgte nach 1969 eine bis dahin beispiellose Erosion von Straf- und Familienrechtsvorschriften die dem Schutz und der Sicherung der "Alleinstellung" der Ehe dienten: Abschaffung des Schuldprinzips bei Ehescheidungen 1976 (SPD/FDP), Einführung der "Eingetragenen Lebenspartnerschaft" 2001(SPD/Grüne), Legalisierung der Prostitution 2002 (SPD/Grüne), Abschaffung des "Betreuungsunterhalts" (den die geschiedenen Mütter ehelicher Kinder beanspruchen konnten) 2008 (CDU/CSU/SPD), und schließlich als Höhepunkt die Homo-Ehe,  "Ehe für Alle" genannt 2017 (CDU/SPD/FDP/Grüne/Linke). CDU/CSU waren daran beteiligt, oder leisteten nur hinhaltenden Widerstand.

Wohlmeinende neue "soziale Rechte" gehören ebenfalls in diese Kategorie. Der Anspruch auf einen "Kindergartenplatz" wurde 1996 /CDU/CSU/FDP) geschaffen. Mit den Folgegesetzen, die eine forcierte Verstaatlichung der Kindererziehung förderten, erfüllte ausgerechnet Kohl einen zentralen Programmpunkt des "Kommunistischen Manifests".

Auch die Änderung des Abtreibungsrechts gehört hierher. Es ist kaum etwas so essentiell Christliches zu finden, wie das Verbot der Abtreibung. Das Verbot der Kindstötung und Abtreibung gehört wie das Scheidungsverbot zu den frühchristlichen "Alleinstellungsmerkmalen" mit dem sich Christen in der Antike von ihrer Umwelt unterschieden, und schließlich diese Umwelt überflügelten. Auch hier begann die Erosion schon 1969 mit der Herabsetzung der Strafandrohung für die Abtreibung.

Die Reform des § 218 in den 70iger Jahren war keineswegs so kontrovers, wie man annehmen könnte. Vielmehr stritt hier die "Indikationenlösung" (CDU/CSU) gegen die "Fristenlösung" (SPD/FDP). Auch die CDU/CSU war damals keineswegs mehr auf ihrem ursprünglichen programmatischen Stand. Heute ist das "unantastbare Recht der Ungeborenen auf Leben " der sich etwa im CSU Programm von 1957 findet, längst von den christdemokratischen Parteien ad acta gelegt. Grußadressen einzelner Abgeordneter an den in Deutschland besonders kümmerlichen "Marsch für das Leben" stellen das Alleräußerste dar, was sich ein Christdemokrat heute leisten kann.

Keine Partei würde es heute wagen, noch eine Re-Form des § 218 zu fordern.

Geburtsfehler und Ursünde der Christdemokraten

Wenn man nun die vergangenen sieben Jahrzehnte betrachtet, bleibt ein deprimierendes Ergebnis. Am Anfang dieser Geschichte, der Geschichte der christlichen Politik in der Bundesrepublik Deutschland, schien es zunächst nicht wichtig, daß die Christdemokraten programmatisch eben so diffus waren, wie es eine Sammlungspartei, als die sich die CDU/CSU von Anfang an verstand, ja notwendig war. Das christliche momentum war noch stark genug, um die Politik auf christlichen Kurs zu halten. Die Erfahrungen des Nationalsozialismus hatten zu einer Stärkung der christlichen Kultur geführt. Selbst "Kulturatheisten", wie das Ehepaar Loki und Helmut Schmidt, traten der Evangelischen Kirche bei, um ein Zeichen zu setzen

Am Ende aber führte das Fehlen einer politischen Konkurrenz und die politische Unverbindlichkeit einer ja bewußt als programmatisch offene Sammlungspartei gegründeten Christdemokratie zur Selbstzerstörung.

Warum begnügten sich die ehemaligen christlich-konservativen Politiker des Zentrums, die 1945 die CDU mitbegründeten , nicht mit der Neugründung des Zentrums?

Es gibt mehrere Gründe. Ein sehr honoriger war, daß man mit den Kampfgenossen des Widerstands weiter zusammenarbeiten wollte. Die durchaus richtige Auffassung, daß die Zersplitterung der christlichen, liberalen und konservativen Kräfte zum Sieg des Nationalsozialismus beitrug, legitimierte noch zusätzlich das Konzept der "Sammlungspartei". 

Der "Adenauerismus"

Ein weniger honoriger Grund aber war, daß man die Macht nicht mit Konkurrenten teilen wollte. So wurde die konservativ-protestantische DP  mit dem Mittel des Wahlrechts liquidiert. CDU/CSU und FDP schufen ein Wahlrecht, daß die überregionalen organisierten Parteien bevorzugte, die regional orientierten Parteien benachteiligte. Dies war das Ende von regional starken, aber national schwachen Parteien wie Zentrum, DP, GB/BHE und Bayernpartei.

Verbunden war diese Politik vor allem mit der Person Adenauers. Er war gleichsam der Bismarck der Nachkriegszeit. Effizient, aber tödlich.

Endspiel

Es blieb eine Partei, die dem Drängen des Zeitgeistes nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Die Breiigkeit der aktuellen deutschen Politikszene, hat ihre Ursache vor allem in der programmatischen Unschärfe des Personals und des Programms der größten deutschen Partei, der CDU. Was dies für das christliche Anliegen bedeutet, hat der manchmal kauzige, nicht immer kluge, aber immer hörens- und lesenswerte und urkatholische Dr. phil. Norbert Blüm in einem zutiefst traurigen Kurzbeitrag wie folgt zusammengefasst:
Wahr ist, dass meine Partei Ehe und Familie dem Zeitgeist ausgeliefert hat. Dabei ist die Ehe vielleicht die letzte antikapitalistische Gemeinschaft, in der nicht „mein“ und „dein“ gilt, sondern „wir“. Wir sind dabei, die Ehe in einer reinen Geschäftsbeziehung aufzulösen. Das führt in eine tiefe Unsicherheit. Auf nichts mehr ist Verlass. Alles wird eine Sache des Geldes. Ich glaube, dass es in dieser globalisierten Welt dennoch eine tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit und ein Bedürfnis nach Privatheit gibt. Familie ist der Versuch einer Antwort darauf. Jetzt geht es – auch meiner Partei – nur noch um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bei näherem Hinsehen handelt es sich um die Unterordnung der Familie unter die Belange der Wirtschaft.
Es gibt sie noch, die guten Dinge

Für meinen Teil ging es nun zurück zur "Zentrums"-Partei. Ob das für andere gelten kann, weiß ich nicht. Ich wäre glücklich, wenn sich ein paar meiner alten Freundinnen und Freunde anschließen. Und ich wäre froh, gäbe es wenigstens eine Partei, bei der ich mein einsames Kreuzchen bei den nächsten Wahlen machen könnte, ohne Magengrimmen und ohne das Gefühl, wieder nur das "kleinere Übel" oder die "Protestpartei" zu wählen. 

Sicher, es gibt andere, sogar größere christliche Kleinparteien. Aber was haben die zu bieten gegen eine Partei, die der vielleicht bedeutendste christliche Politiker der deutschen Geschichte  mitbegründet hat, der Bischof und "Vater" der katholischen Soziallehren, Wilhelm Emmanuel von Ketteler? Was übertrifft die von Ketteler begründete Katholische Soziallehre?

Ich habe aus der Geschichte der CDU, der ich einige Jahre angehört, und die ich viele Jahrzehnte zumindest mit der Erststimme gewählt habe, gelernt, daß Sammlungsparteien stets der Schwerkraft folgen. Der Schwerkraft des Zeitgeistes. Man will ja nicht nur gewählt werden, was auch das Ziel ideologisch klarer Parteien ist, man will koste es, was es wolle, Wahlen gewinnen und um buchstäblich jeden Preis regieren. Und sei es um den Preis des Untergangs der eigenen Idee.

In Gefahr und größter  Not bringt der Mittelweg den Tod. (Friedrich von Logau 1605 - 1655)


Anders sein und anders scheinen,
Anders reden, anders meinen,
Alles loben, alles tragen,
Allen heucheln, stets behagen,
Allem Winde Segel geben,
Bös’ und Guten dienstbar leben,
Alles Tun und alles Tichten
Bloß auf eignen Nutzen richten:
Wer sich dessen will befleißen,
Kann politisch heuer heißen. (ebender, 1654)

Samstag, 6. Januar 2018

Erbarmen! 68 wird 50! (Erster Teil)

Anti-Schah-Demo 1967
Mich graust´s. Jetzt kommen sie zuhauf, die wankenden Gestalten. Die halbgebildeten 68er-Groupies, die 68 noch in die Windeln schissen oder gerade mal das ABC lernten, die aber mit himmelwärts verdrehten Augen die vorgeblich große emanzipatorische Leistung der 68er belobhudeln, und die andere Sorte, für die der 68er der schlechthinnige Gottseibuns ist, der den ganz großen Kulturbruch zu verantworten hat, von der Legalisierung von Marihuana, über die allfällige Linkshuberei, die gottverdammte Hippierepublik Deutschland, die sogenannte sexuelle Revolution, den durchgeknallten #aufschrei-Feminismus, den grauen Multikultibrei und schließlich noch das schlechte Wetter.

Außerdem sollen wir, jaja, ich bin ein 68er, auch noch für die "Grünen" uns schuldig bekennen. Das ist eindeutig zuviel des Schlechten.

Schlagt mich, ich bin ein 68er! Warum aber nicht 52er, 60er, 61er, 67er, 69er, 71er, 75er oder 80er?

Vor- und Nachgeschichte. 68 war nur ein Punkt, nicht einmal der wichtigste in einer sich über Jahrzehnte, teilweise mehr als ein Jahrhundert hinziehenden Entwicklung, die die Welt auch ein bißchen besser gemacht hat, aber auch viel, viel schlechter.

Befassen wir uns also mit den Wendepunkten der Geschichte. Oder besser der Geschichten, den diese Geschichten wuchsen, obwohl sie nicht zusammengehörten, zur breiigen Gegenwart zusammen, die ich gerne die "Blechernen Zeiten" nenne.

Die Anti-Baby-Pille, der entscheidende Anstoß für die sogenannte "sexuelle Revolution" wurde im Jahr 1960 entwickelt und seit dem 1.6.1961 unter den Namen "Anovlar" hergestellt und vermarktet.

Die wichtigste Propagandistin der Anti-Baby-Pille und maßgebliche Unterstützerin der Entwicklung der Pille, Margaret Sanger, die Gründerin von "Planned Parenthood" gründete ihre "American Birth Control League" bereits 1921. "Planned Parenthood" entstand 1942, die deutsche Tochterorganisation mit dem zynischen Namen "pro familia" 1952.

1963 wurde John F. Kennedy ermordet. War das ein Wendepunkt der Geschichte? Charles Murray sagt ja, ich sage nicht nein.

Die Hippiebewegung hatte nach dem "Summer of love" 1967 ihren Höhepunkt glücklicherweise bereits überschritten. Scott Mckenzie hatte seine unerträgliche Schnulze "San Franzisco" in ebendiesem Jahr verbrochen. 

Das Woodstock-Festival fand vom 15. zum 17. August 1969 statt.

Die linke Studentenbewegung in Deutschland wurde durch die Ermordung (ich glaube bis heute nicht an einen Unfall) des Studenten Benno Ohnesorge durch den Stasi-Agenten Karl-Heinz Kurras am 2.6.1967 angestoßen.

Nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 fanden deutschlandweit Blockaden der Druckereien des Springer-Konzerns statt. Bei den Unruhen an Ostern 1968 kamen zwei Menschen ums Leben.

Der Pariser Mai fand in der Tat im Jahre 1968 statt.

Die linke deutsche Frauenbewegung hatte im September 1968 ihren ersten Aufstand auf der SDS Delegiertenkonferenz im Sept. 1968: "Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen"

Der Startschuss der von Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer initiierten "genderistischen "Frauenbewegung war mit der morbiden Selbstbezichtungskampagne "Wir haben abgetrieben" im "Stern" am 6. Juni 1971 zu hören.

Den Anfangspunkt der Umweltbewegung könnte man auf den 17. Februar 1975 (Bauplatzbesetzung in Whyl) festsetzen.

Am 12/13.1. 1980 findet der Gründungsparteitag einer Partei statt, die sich zu den Grundsätzen "Ökologisch, Basisdemokratisch, Sozial, und Gewaltfrei" bekennt. Arbeitstitel: Die Grünen.

Das ist nicht beckmesserisch. Ich will damit zunächst nur sagen - um eine Runde Mitleid heischend - daß wir armen 68er nicht für alles verantwortlich sind, und schon gar nicht für das "links-rot-grün versiffte 68er-Deutschland".

In Wahrheit wuchs  in den 70iger und 80iger Jahren zusammen, was nicht zusammengehörte.

Margaret Sanger halte ich für eine der finstersten Gestalten des 20. Jahrhunderts. Ihr Ziel war keineswegs die "Befreiung der Frau", oder, wie es heute so beschönigend heißt, die "sexual and reproductive rights" der Frauen, sondern "to raise the level and increase the intelligence of the population." Auch durch Zwangssterilisation und schließlich durch die Internierung von "certain dysgenic groups." (Plan for peace 17. Jan. 1932). 

Was hatte diese fanatische Rassistin und gnadenlose Eugenikerin mit der "Frauenbefreiung" zu tun?

Waren die "Blumenkinder" harmlos, oder nicht vielmehr mit ihren Konzepten von "freier Liebe" verantwortungslos? Und was war an den Hippies eigentlich "links"? Der in einem Atomkraftwerk beschäftigte und in der IGBCE organisierte Facharbeiter ist jedenfalls der Antipode der militanten Hippies die nicht nur gegen den Atomtod sondern gleich auch noch gegen die Atomkraft demonstrierten,

Daß sich die SPD schließlich als die Partei der Anti-Atomkraft-Hippies verstand, gehört zu den berüchtigten "Treppenwitzen der Geschichte". Das Volk hat es der SPD nicht gedankt.

Daß Wilhelm Reich und die Reichisten, die Empfängnisverhütung und Abtreibung unverblümt als Voraussetzung der "general copulation" ansahen, nicht die Interessen der Frauen vertraten, war den Feministinnen der 68er Jahre zumindest geläufig. Den späteren, vor allem denen, die zu Redakteurin der Dumpfpresse aufstiegen, nicht.

Zur Ehrenrettung der 68er: das kann man nachlesen: die "sexuelle Revolution" in der Version von Reich, Kolle et. al. war nie unser Ding. Der einflußreiche ehemalige SDS-Vorsitzende Reiche warnte vor der "repressiven Entsublimierung" und später der "Homosexualisierung der Gesellschaft". Das der als Chef-Sexualtheoretiker des SDS unbestrittene Reiche die Propaganda der Promiskuitäts-Propheten gegen Ehe und Treue heftig bekämpfte, kann man nachlesen. Wenn man will. Man wollte eigentlich noch nie, stattdessen gruselte man sich lieber über die libertinäre Kommune 2, die Reiche, der an Liebe, Treue und Ehe glaubte, eher an das "exhibitionistische Verwalten zwanghaft promiskuitiver Eheleute" erinnerte.

Ein Prediger in der Wüste. Reiche warnte vor der sexuellen und emotionalen Abstumpfung, die sich heute im allgemeinen und massenhaften Konsum einer sexualtechnisch pervertierten Pornographie äußert, völlig vergebens.

Wird fortgesetzt.

Mittwoch, 3. Januar 2018

Monogamisch: Liebeskrieg im Hause Jakob

Rachel und Lea (Gustav Doré)
Man kann die Bibel als "Tagebuch der Menschheit" lesen. Das entsprechende Buch habe ich vor einiger Zeit gelesen. Ein Text, der für gläubige Christen so manches bietet, über das man sich empören könnte. Zum Beispiel die These, daß unser Glaube einer historischen Entwicklung unterworfen war ebenso wie unser christliches Recht. Wenn Jesus Christus in Bezug auf die Ehe (Matth. 19,8) behauptet, daß "am Anfang" keine Ehescheidung war und wohl auch keine Polygynie, meinte er, wie es "war", oder wie es "gemeint war"?

Die wissenschaftliche Anthropologie ist sich heute sicher, daß die zweite Auslegung richtig ist. Genetische Untersuchungen der unterschiedlichen Varietät der nur von der Mutter an ihre Kinder vererbten mitochondrialen DNA und des nur von dem Vater an den Sohn vererbten nicht rekombinierenden Y-Chromosoms zeigen, daß wir doppelt so viel Urmütter als Urväter haben. Das gibt nur dann einen Sinn, wenn man annimmt, daß in der Vergangenheit - wir sprechen von einem Zeitraum von 100.000 Jahren -  die Hälfte aller Männer von der Fortpflanzung ausgeschlossen waren. Es fand also eine sexuelle Selektion statt. Und diese Wahl trafen die Frauen, nicht die Männer - so die Anthropologie.

Behalten wir das im Hinterkopf und lesen die Geschichte von Jakob, Leah und Rachel.

Jakob flüchtet, nachdem er seinen Bruder (oder, nach anderer Lesart, Halbbruder) Esau mit Unterstützung seiner Mutter Rebecca um sein Erstgeburtsrecht und auch noch um den väterlichen Segen betrogen hat, zu seinem Onkel Laban. Erstens weil ihm sein Bruder Esau gedroht hatte, ihn umzubringen, wofür auch der Chronist der Bibel ein gewisses Verständnis zeigt, und zweitens, weil er seine Frau nicht unter den Töchtern Kanaans, sondern unter den Töchtern Labans suchen wollte.

Er traf auf Leah und Rachel. "Sed Lia lippis erat oculis, Rachel decora facie et venusto aspectu" berichtet uns die Vulgata. (Genesis 29, 17). Lia  (Leah) war triefäugig, Rachel dagegen hatte ein hübsches  Gesicht und eine schöne Gestalt.

Die rabbinische Exegese hat da eine etwas andere Sicht der Dinge. Triefäugigkeit (Blepharitis) ist eine chronische Erkrankung des Lidrandes. Kaum vorstellbar, daß Jakob mit einer dermaßen entstellten Frau sechs Söhne und eine Tochter gezeugt hätte. Raschi, der berühmte jüdische Exeget der Schrift meint, daß Leah schlicht verheult war. Sie war nämlich als die ältere Tochter als Frau von Jakobs Bruder Esau ausersehen. Der aber habe (so Raschi) eine schlechten Ruf als Heide und Ehebrecher besessen. (Rashi schließt da möglicherweise vom Stamm der Edomiter auf ihren Urvater Esau). Eine Wahl, über die Leah so unglücklich war, daß sie garnicht mehr aufhören wollte, zu weinen.

Rachel, die die Schafe zur Tränke trieb, kam nun Jakob am Brunnen als erste entgegen - unverschleiert und ohne Walle-Walle-Kleidung wie zu dieser Zeit üblich - und gab ihm auch noch einen Kuß. Jakob verliebte sich und hielt um die Hand Rachels an. Eine Wahl, über die Laban nicht erfreut, aber vor allem Leah sehr, sehr unglücklich war. Laban schob bekanntlich in der Hochzeitsnacht Leah seinem Schwiegersohn Jakob unter, und als der am Morgen neben Leah aufwachte und sich beschwerte, verlangte Laban, daß Jakob zunächst weitere sieben Jahre zu dienen habe, bevor er auch Rachel heiraten dürfe.

Lassen wir das mal auf uns wirken. Hatte Rachel das Zusammentreffen am Brunnen arrangiert? Ziemlich sicher, denn auch die Bibel stellt es als ungewöhnlich dar, daß eine Frau die Schafe zur Tränke treibt. Und bestimmt hatte sie dafür gesorgt, daß ihr hübsches Gesicht und ihre schöne Gestalt angemessen zur Kenntnis genommen wurden. Ein Begrüßungskuß war unter Verwandten üblich, hier diente er mit Gewißheit einem weiteren Zweck.

Steckte hinter dem Schwindel in der Hochzeitsnacht nur Laban? Es war ungehörig, um eine jüngere Tochter zu werben, wenn die ältere noch unverheiratet war. Aber wie jeder andere gute Vater, rührte Laban auch das Liebesleid seiner Tochter Leah, die sich vor Unglück die Augen ausheulte. Es spricht einiges dafür, sagt der Kriminalist, daß vor allem Leah das stärkste Motiv für diesen Betrug hatte.

Nach jedem Sohn, den Leah Jakob gebar, hoffte sie, nun werde sich Jakob ihr doch zuwenden. Auch der HERR, dem es mißfiel, daß Jakob nur eine seiner beiden Frauen wirklich liebte, schlug sich auf Leahs Seite, indem er Leah fruchtbar, Rachel aber unfruchtbar machte. Die Namen ihrer vier ersten Söhne geben Leahs Hoffnung Ausdruck: Ruben - Sohnessicht; Simon - Erhörung; Levi - Anlehnung; Juda - Danksagung. Nun war es an Rachel, da sie keine eigenen Kinder bekam, nötigte sie Jakob - der ,, to say the least, nicht ganz damit einverstanden war - mit ihrer Sklavin Bilha Kinder zu zeugen: Dan - Urteiler; Naftali - Wettkämpfer. Auch Leah, die eine Gebärpause einlegt, greift nun zum selben Mittel. Jakob soll mit ihrer Sklavin Silpa Kinder zeugen. Gad - Glück und Ascher - Selig.

Jakob scheint von diesem Gebärkampf etwas ermattet gewesen zu sein, denn als Ruben bei der Feldarbeit Alraunen findet, die nach antikem Glauben als Liebeszauber dienen können,  erbittet Rachel von Leah, daß sie ihr von diesen "Minneäpfeln" wie sie Buber nennt, etwas abgibt. Leah reagiert erbost. Rachel habe ihr bereits ihren Mann abspenstig gemacht, nun wolle sie auch noch die Alraunen haben.

Rachel handelte darauf mit Leah aus, daß sie die Alraunen bekommt, Leah dafür mit Jakob schlafen darf. Die folgende Szene im Wortlaut: "Als Jakob des Abends vom Feld kam, trat ihm Lea entgegen und sprach: Zu mir mußt Du kommen, denn ausbedungen habe ich dich um die Minneäpfel meines Sohnes." (Buber, Die Schrift, 30, 16). Und Lea gebar ihm zwei weitere Söhne: Jisachar - Gedingelohn und Sbulun - Aufrichtung. Schließlich noch eine Tochter - Dina.

Es stand in etwa nun 10 zu 2 gegen Rachel und endlich hatte der HERR Gnade mit ihr und sie gebar Josef - der Herr richtet mich auf.

War nun Frieden? Nein, wie wir wissen, wollen die Söhne von Bilha, Silpha und ein Teil der Söhne Leahs, Rachels Sohn Josef umbringen und lassen sich gerade noch von den mit Josef näher verwandten Söhnen Ruben und Juda davon abbringen. Juda rettet ihm das Leben, indem er die Sippschaft dazu bewegt, ihn nur als Sklaven zu verkaufen.

Fassen wir also zusammen: Jakobs Mutter ist daran beteiligt, ihrem Lieblingssohn Jakob den Segen Isaaks zu verschaffen.  Rachel sorgt dafür, daß Jakob sie als erste trifft und ihr ganz nahe ist - Nahkampf. Leah setzt Tränen ein, um Esau nicht heiraten zu müssen, sondern Jakob heiraten zu dürfen. Die beiden Frauen kämpfen mit allen Mitteln um den gemeinsamen Mann, Leah zettelt einen Gebärwettstreit an, Rachel setzt auf Liebeszauber.

Und Jakob? Hat offenbar nicht viel zu sagen.

Die Wissenschaft von der Anthropologie sagt uns, daß wir uns so in etwa die menschliche Vorgeschichte vorstellen müssen.

Die Bibel zeigt uns, daß die monogame Ehe mindestens die friedlichere Variante des ehelichen Zusammenlebens sein muß. Denn die stets nicht ganz freiwillige Polygynie der Erzväter hat ihnen eine ganze Menge Zank und Streit gebracht.

Monogamisch ist übrigens die Bezeichnung der Anthropologen für die mutmaßlich vorherrschende Lebensweise der Menschheit. vorwiegend monogam, aber strecken- und zeitweise polygyn. Übrigens niemals polyandrisch.

Wer die Polygnie übrigens für eine Männerfantasie hält, sollte sich die Berichte der Bibel näher ansehen.