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Pieter Bruegel: Veggie-Day auf dem Lande |
Ich versuche mir gerade vorzustellen, was meine Tante Grete wohl zur Einführung eines Veggie-Days gesagt hätte. Oder was sie wohl zum grünen
Bundestagsprogramm gesagt hätte, in dem das gefordert wird. Ich glaube nicht, daß ich mit ihr einen Programmpunkt wie den der Einführung der Homo-Ehe hätte auch nur ansatzweise diskutieren könnte. Tante Grete war nicht gewalttätig, das nein, sie überließ das Ohrfeigenverteilen ihrem Ehemann.
Auch Onkel Peter war nicht eigentlich gewalttätig. Es genügte eigentlich, sich vorzustellen, welche Wirkung eine von einem Zimmermann ausgeteilte Ohrfeige haben könnte. Der Vorschlag, einen Veggie-Day einzuführen, wäre jedenfalls durch unlösbare ökonomische Sachzwänge vereitelt worden. Erstens gab es im Dorf keinen Laden, der Müsli geführt hätte. Schon der Begriff des Müslis war völlig unbekannt. Zweitens wird frischgemolkene Kuhmilch binnen eines Sommertags sauer und meine Anwesenheit im Heimatdorf meines Vaters hatte vor allem den Zweck mein leichtes Untergewicht durch den regelmäßigen Genuß von kuhwarmer Milch zu bekämpfen. Drittens wäre mittelfristig der Schinkenspeck verdorben. Und viertens müssen die Ergebnisse der landwirtschaftlichen Produktion aus der Haltung von 10 Hühner, 2 Kühen und vier Schweinen ja dem Konsum zugeführt werden.
Zum Frühstück also gar es Schinkenspeck und Schwarzbrot, sowie ein Hühnerei. Mittags Schweinerenes und Kartoffeln. Abends wieder Schinkenspeck. Ich kann mich an Gemüse und Salate erinnern, wenn auch nur dunkel. Schinkenspeck war m.E. wesentlich.
Der Versuch, mir Onkel Peter beim Konsum von Bircher-Benner-Müsli, Grünkernbratlingen und Bionade vorzustellen, gelingt mir nicht. Die Einreichung eines Scheidungsantrags wäre völlig undenkbar gewesen, so daß das Bircher-Benner-Müsli als Denkunmöglichkeit einzustufen ist.
Daß der extensive Milch-, Fleisch- und Eierkonsum ihrer Familie, wie die Grünen behaupten, nur durch Massentierhaltung, Naturvernichtung, Arzneimittelmißbrauch etc. aufrechterhalten werden könne, hätte meine Tante Grete mit einem Kopfschütteln beantwortet. Daß Schweinekoteletts für die Klimakatastrophe veranwortlich sein könnten, hätte Tante Grete sinnlich-praktisch widerlegen können, der heutige Pächter ihres kleinen Landbesitzes. Dr. K (heutzutage ist Landwirtschaft eine Wissenschaft) könnte es agrarökonomisch agrarwissenschaftlich widerlegen.
Nun ja, die Grünen haben wohl in ihrer Mehrheit noch keine Kuh von nahem gesehen und schwadronieren gleichwohl über die per se schädliche Massentierhaltung. Der "Veggie-Day" findet sich im Programmkapitel "Massentierhaltung-nein danke!". Daß Massentierhaltung nicht per se artungerecht ist (die häufig von mir gehüteten Kühe meiner Tante Grete hätten dieser These entschieden widersprochen), könnte man ja wissen. Es sei denn, man lebt in einer Altbauviertel-Maisonette im Grünwählerviertel und der eigene Kontakt mit der Tiernatur beschränkt sich auf das Bressehuhn vom Szenerestaurant und die Haltung einer Hauskatze.
Der politische Inhalt ist vielmehr höchst religiös-politisch. Daß diese Religion von der
Präses der Synode der EKD vorgetragen wird, hat was. Ihre Kurzfassung ist jedenfalls einer religionswissenschaftlichen Analyse bestens zugänglich.
60 Kilo Fleisch verbraucht jede BürgerIn in Deutschland in jedem Jahr.
Klassische Polemik. 60 Kilo Fleisch klingt richtig eklig. 164 Gramm pro Tag hörte sich ja ganz anders an. Aussage: Fleischessen as such ist sündhaft.
Wir wollen in unserem Land aber keine Massentierhaltung mehr.
Interessanterweise enthält das Programm keine Definition, was denn unter Massentierhaltung zu verstehen sei. Ist schon jeder Laufstall "Massentierhaltung". Zurück zur vermeintlichen Idylle der Anbindehaltung? Das wäre nicht nur romantisch, sonder tierverachtend.
Wir schlagen den Veggie Day vor, nicht weil wir das Fleisch essen verbieten wollen, es geht nicht um eine Zwangsveranstaltung.
Ja, die Dialektik des Dementi.
Wir leben auf Kosten derjenigen, deren Existenzen bedroht sind, weil beispielsweise der Regenwald abgerodet wird. Ein wöchentlicher Veggie Day in den Kantinen wäre ein großer Schritt für die Beendigung der Massentierhaltung und für eine gesunde Ernährung.
Als ich politisch laufen lernte, teilte sich die Welt der politischen Aktivisten zwischen Autonomen und Müslis. Die theologisch-politischen Implikationen waren mir damals nicht bewußt. Daß der Erfinder des Müslis, der calvinistische Schweizer Arzt Maximillian Bircher-Benner keineswegs nur eine schmackhaftere und gesündere Art des Frühstücks erfinden wollte, sondern eine Lebensreform nach mönchischem Vorbild anstrebte, läßt sich an der therapeutischen Orientierung der von ihm betriebenen
Klinik nachvollziehen. Thomas Mann hat seine Erfahrung in dieser Klinik literarisch in seinem "Zauberberg" verarbeitet. Die Klinik, so Thomas Mann, sei schlicht ein "hygienisches Zuchthaus".
Da schließt sich der Kreis. Schon Luthers Theologie der "innerweltlichen Askese" war ja eine mönchische Revolte gegen die katholische Lebensfreude der Renaissance. In seiner moralischen Empörung über den katholischen Leichtsinn seiner Zeit wollte Luther die ganze Welt in ein Kloster verwandeln.
Das war dann nun aber noch die Zeit, da die Protestanten noch mit demonstrativem Wurstessen gegen das katholische Fastengebot protestierten. Offenkundig strebt in grünprotestantischer Gestalt die evangelische Lebensreformbewegung ihrer endgültigen Vollendung entgegen. Erst Frau Göring-Eckardt durfte das Werk Luthers vollenden, und uns selbst das Wurstessen noch verbieten.