Als Martin Mosebach vor kurzem erklärte, er könne die muslimische Abneigung gegen gewisse Errungenschaften der modernen "westlichen" Zivilisation, wie die allgegenwärtige antireligiöse Schmähkritik, durchaus verstehen, erhob sich ein gewaltiges Rauschen im teutschen Plätterwald. So als hätte Mosebach zum Jihad aufgerufen, als kämpfte er Seit an Seit als katholischer Eisenmann mit säbelschwingenden Sarazenen.
Wenn ich nun Urteile wie dieses lese, wird mir irgendwie mosebachisch zumute.
Ein kleines muslimisches Mädchen - natürlich vertreten durch ihre Eltern - inzwischen schon ein bißchen größer, und wie man liest, nicht auf den Mund gefallen, wollte nicht am ko-e-du-ka-tiven Schwimmunterricht teilnehmen.
(Ich bin da voll solidarisch, als für mich die Ko-E-Du-Ka-Tion eingeführt wurde, weil ich vom christdemokratischen Worms ins sozialdemokratische Hessen umzog, war ich sieben, und ein entschiedener Gegner jeglicher mir aufgezwungener Weiblichkeit. In der Folge wurde ich sogar dazu gezwungen, an einem MÄDCHENGEBURTSTAG teilzunehmen. Heute wäre das ein Fall für den EGMR!)
Vor einigen Jahren hatte das Bundesverwaltungsgericht noch Verständnis für Menschen - daß es muslimische Menschen waren, ist eher ein Zufall, es hätten durchaus auch traditionelle Christen sein können - die es irgendwie ungut finden, wenn kleine Mädchen halbnackt mit kleinen Jungen im Schwimmbad rumturnen müssen, und das auch noch gezwungenermaßen und von Staats wegen. Aus Mose 3,7 wissen wir schließlich, daß Schamgefühl außerhalb des paradiesischen Zustandes ein durchaus menschlicher Zug ist.
Doch die wahre Religion unserer Zeit ist bekanntlich das Dogma der Sex-U-Ell-En E-Man-Zi-Pa-Tion. Deren erste Welle wir armen Kinder in Form der Ko-E-Du-Ka-tion erlebt haben. (Keiner weiß, wie ich gelitten habe). Also wird das Dogma der Ko-E-Du-Ka-Tion eisenhart durchgezogen. Vor allem gegen widerspenstige kleine Mädchen (die Jungen hat - gemein - wieder keiner gefragt). Nun, so der VGH in seiner unergründlichen Weisheit, kenne man zwar das Urteil des BVerwG, aber das sei veraltet, heute gebe es nämlich eine wundervolle Alternative: das Mädchen könne schließlich einen Burkini tragen!
Das Mädchen hat durch ihren Anwalt erklären lassen, das Teil sei ein Plastiksack und man sehe darin potthäßlich aus. Macht nichts, sagt der VGH, für den Verfassungsgrundsatz der Ko-E-Du-Ka-Tion müssen eben Opfer gebracht werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte 1993 entschieden, dass eine Befreiung vom Schwimmunterricht möglich ist, wenn die Schule keinen getrennten Schwimmunterricht anbietet. "Die Schullandschaft hat sich verändert. Dem muss Rechnung getragen werden", sagte die Vertreterin des Landes vor dem VGH. Dem folgten die Richter. Die Entwicklung seit damals sei fortgeschritten. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, Integration verlange auch, dass religiöse Minderheiten sich nicht selbst ausgrenzten. Die Religionsfreiheit des Mädchens müsse vor diesem Integrationsauftrag teilweise zurücktreten.Wir können also als Lernerfolg mitnehmen, daß die Ko-E-Du-Ka-Tion oder der In-Te-Gra-Tions-Auftrag ein Verfassungsgrundsatz ist. Und daß das Schamgefühl, oder die völlig gesunde Abneigung von kleinen Jungen und kleinen Mädchen dagegen sich auf doofe Menschen des anderen Geschlechts einzulassen, eine ausschließlich religiös begründete Idiosynkrasie ist, die in unserer säkularen Zeit gnadenlos ausgemerzt werden muß.
Das Urteil habe ich in meiner Urteilssammlung in die Kategorie "unterirdisch" eingeordnet. Dort herrscht allmählich Platzmangel.